Muss ich denn schon wieder verreisen?
neunhundert Jahre alte Sekte. Sie haben eine eigene Religion, deren Geheimnisse auch innerhalb der Gemeinschaft nur wenigen eingeweihten Männern bekannt sind. Ihr Hauptheiligtum soll übrigens in der Nähe vom See Genezareth liegen.«
»Kennt man es?«
»Man vermutet, daß es sich um das Grab von Moses’ Schwiegervater handelt. Genaueres zu erfahren ist schwer, denn die Drusen leben sehr zurückgezogen und heiraten auch nur untereinander.«
Jetzt plagte mich doch die Neugier. »Ist es sehr indiskret zu fragen, woher Sie das alles wissen? Sind Sie Historikerin, Philologin oder etwas, das in diese Richtung zielt?«
»Nicht ganz. Ich bin, besser gesagt, war Lehrerin für Geschichte und Geographie.«
»Nun wundert mich gar nichts mehr«, meinte Irene erleichtert. »Ich hatte Sie schon im Verdacht, den Reiseführer auswendig gelernt zu haben, obwohl er ja gar nicht so ergiebig ist.«
»Ein wenig habe ich meine Kenntnisse schon auffrischen müssen«, gab Frau Conrads zu. »Man kann schließlich nicht alles behalten.«
Die Landschaft wurde abwechslungsreicher, grüner, hügeliger. Weit verstreut weideten Schaf- und Ziegenherden, meist von Kindern bewacht. Dazwischen lagen kleine Dörfer oder auch nur einzelne Lehmhäuser mit flachen Dächern, auf denen häufig Wäsche flatterte.
Schon in Tel Aviv waren mir die kochtopfähnlichen Gebilde aufgefallen, die auf fast jedem Dach zu finden sind. Manchmal steht dort nur eins, häufig ein halbes Dutzend nebeneinander. Jetzt sah ich sie sogar hier auf diesen Spielzeughäuschen. Eigenartigerweise haben sie überall die gleiche Form und Größe. Den Zweck dieser merkwürdigen Töpfe hatte ich noch nicht herausgefunden. Ob Frau Conrads vielleicht …?
Nein, sie wußte es auch nicht, doch wozu hatten wir unseren Guide? »Menachem, was bedeuten diese runden Dinger auf den Dächern? Ich hab’ schon an Sonnenkollektoren gedacht, aber die sehen doch ganz anders aus.«
Anscheinend nur hier bei uns, in Israel haben sie nun mal Ähnlichkeit mit Einwecktöpfen, denn es handelte sich tatsächlich um Sonnenkollektoren. Wie dieses System im einzelnen funktionierte, wußte Menachem nicht, aber, und das wunderte auch ihn, es funktionierte tatsächlich.
»Wir kommen jetzt nach Daliyat-el-Karmel, einem der größeren Drusendörfer«, meldete sich Frau Marquardt zu Wort. »Sie haben die Gelegenheit, sich ein bißchen umzusehen, etwas zu trinken, und wenn Sie Glück haben, finden Sie vielleicht schon das eine oder andere Souvenir. Es gibt hier sehr hübsche Korbwaren.«
Der halbe Bus stürzte in das als Bar ausgeschilderte Etablissement, in der Hoffnung, eine Toilette zu finden, der Rest verteilte sich rechts und links der Hauptstraße auf der Suche nach den versprochenen Souvenirs.
»Und was machen wir?« fragte ich Irene, nachdem wir den klimatisierten Bus mit der sonnendurchglühten Straße vertauscht hatten.
»In die entgegengesetzte Richtung gehen!« Was wir auch taten. Und dort endlich konnten wir den angepriesenen frischgepreßten Orangensaft probieren. Verkauft wurde er an einem transportablen Klapptisch, an dem eine eiserne Presse, einem Fleischwolf ähnlich, befestigt war. Daneben stapelten sich Plastikbecher. Unterm Tisch standen zwei Eimer, einer mit halbierten Orangen, der andere mit ausgedrückten Schalen, und das war’s auch schon. Nicht zu vergessen die Blechkassette mit Wechselgeld, recht gut gefüllt übrigens, denn dieses Dorf schien generell Anlaufpunkt aller Touristenbusse zu sein.
Es stimmt wirklich: Der frische Saft von in der Sonne gereiften Apfelsinen ist nicht zu überbieten! Ich trank gleich noch einen zweiten Becher voll, bezahlte mit einem Schein, bekam eine Menge unidentifizierbares Kleingeld zurück, zeigte es später Menachem und mußte mir sagen lassen, daß ich gründlich übers Ohr gehauen worden war. Wenigstens erklärte er uns den Wert der einzelnen Münzen, was aber auch nicht viel nützte, denn beim nächsten Einkauf hatte ich die Hälfte schon wieder vergessen. Wohl deshalb befindet sich in meiner ›Devisen-Box‹ unverhältnismäßig viel Kleingeld aus Israel, das ich einfach nicht losgeworden bin. Einmal Blamage hatte mir gereicht! Beim Bezahlen einer Tasse Tee hatte ich ein recht großes Geldstück auf den Tisch gelegt, nur ein Kopfschütteln der arabischen Bedienung geerntet, eine identische Münze dazugepackt, und als der Mann noch immer nicht zufrieden gewesen war, eine Handvoll aus der Tasche gezogen und es ihm überlassen, sich das
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