Muss ich denn schon wieder verreisen?
Passende herauszusuchen. Er nahm die ganzen kleinen Münzen, was den Schluß zuläßt, daß die großen nichts wert sind. Auf diese Weise dürfte mich der Tee ungefähr sechs Mark gekostet haben, doch das merkte ich erst viel später.
Hinreichend mit Flüssigkeit abgefüllt, suchte ich jetzt auch eine Gelegenheit, zumindest einen Teil davon wieder loszuwerden. Also auf in die Bar. Sie war fast leer. Unsere Mitreisenden umlagerten die Andenkenläden, und die ersten kamen mit ihrer Ausbeute schon wieder zurück. Ich bewunderte Holzketten, Korbtaschen, Messingschmuck und natürlich Gregors schwarzweißes Arafat-Tuch, das er stilecht um den Kopf gewickelt hatte.
Das Wort Toilette ist zwar international bekannt, nur haben diese Örtlichkeiten in manchen Ländern herzlich wenig Ähnlichkeit mit dem, was wir darunter verstehen. In Frankreich und Italien findet man noch sehr oft jene quadratischen Becken mit dem Loch in der Mitte, das männlichen Bedürfnissen gerade noch gerecht werden kann, für Frauen jedoch denkbar ungeeignet ist. Und wenn man dann auch noch lange Hosen trägt, geht die ganze Sache sowieso schief. Ich spreche da aus Erfahrung!
Eine ähnliche Installation befand sich hier, also übte ich mich in Selbstbeherrschung und hoffte auf den nächsten Halt. Dort sollten wir das Mittagessen einnehmen können, was logischerweise einen Waschraum erwarten ließ.
»Mußt du auch? Wenn ja, vergiß es!«
»Das habe ich mir schon beinahe gedacht.« Irene rührte in einer kleinen Tasse mit schwarzem Gebräu. Eine zweite stand vor meinem Platz. »Was ist das? Espresso?«
»Türkischer Kaffee. Sehr gewöhnungsbedürftig!«
Das stimmte. Er war nicht nur zuckersüß, sondern auch noch mit Kardamom gewürzt, den man bei uns bloß in der Adventszeit zu kaufen kriegt, damit die selbstgebackenen Lebkuchen wenigstens nach ein bißchen was schmecken. (Über meine mangelhaften Fähigkeiten, genießbares Weihnachtsgebäck auf den Tisch zu bringen, habe ich mich schon früher ausgelassen.) Ich kippte die Brühe in einem Zug hinunter und schob gleich ein Pfefferminzbonbon hinterher: Natürlich sollte man in fremden Ländern die jeweiligen Spezialitäten probieren, aber das bedeutet ja nicht, daß sie einem auch schmecken müssen.
Der Busfahrer hupte die Nachzügler zusammen, es ging weiter. Ein letzter Blick auf die hinter uns her schauenden Kinder und ihre von weißen Schleiern verhüllten Mütter, dann hatten wir das Dorf auch schon verlassen.
»Es grünt so grün …«, summte Irene leise vor sich hin. »Wo sind eigentlich die steinigen Felder, die kargen Landschaften, die Dürre? Hier sieht’s doch beinahe aus wie in Oberfranken. Irgendwie hatte ich eine andere Vorstellung von Israel.«
»Wir sind ja noch im Norden. Wart mal ab, bis wir in den wasserarmen Süden kommen.«
»Apropos Wasser.« Sie zog eine Flasche unter dem Sitz hervor. »Durchaus trinkbar. Willste auch mal?«
»Au ja, gerne.« Ich nahm einen tiefen Schluck und – hätte ihn beinahe ausgespuckt. »Was, um alles in der Welt, ist das?«
»Karmel-Wein. Schmeckt er dir nicht?«
»Doch, aber nicht mittags um halb zwölf. Meinst du, ich will nachher auf allen vieren aus dem Bus kriechen?«
Sie nahm mir die Flasche aus der Hand. »Du sollst ja nicht die ganze Pulle aussaufen, sondern bloß mal probieren! Wenn wir hier schon an der Quelle sitzen, könnten wir doch einen kleinen Vorrat mitnehmen.«
Jetzt fing sie wirklich an zu spinnen. »Willst du etwa die Flaschen zehn Tage lang durch die Gegend schaukeln? Für das Geld, das dir die El Al wegen Übergepäck abknöpfen würde, kannst du den Wein auch im KaDeWe kaufen.« Nicht umsonst rühmt sich die Delikatessenabteilung des Berliner Nobelkaufhauses ihres Sortiments auch ausgefallener Weinsorten.
»Wer redet denn von Deutschland?« wunderte sich meine Freundin. »Hier brauchen wir doch auch was zu trinken. Die Abende sind lang, und die Hotelbar liegt meistens zwei Stockwerke tiefer.«
Also kauften wir bei der nächsten Gelegenheit einige Flaschen, betteten die für den jeweiligen Abend bestimmte halbwegs stoßsicher zwischen die Omnibussitze und pichelten sie während der spätnachmittäglichen Schönheitspflege leer. Und das ich, die ich normalerweise wenig trinke und folglich auch wenig vertrage. Zwei Gläser Burgunder, und ich singe Arien! Karmel-Wein ist nicht ganz so gefährlich, aber bei mir zeigte er trotzdem Wirkung. Mehrmals habe ich den Speisesaal recht beschwingt betreten, was zum Glück
Weitere Kostenlose Bücher