Muss ich denn schon wieder verreisen?
niemandem aufgefallen ist, denn zu diesem Zeitpunkt standen Irene und ich zwar schon im Blickpunkt des allgemeinen Interesses, jedoch aus ganz anderen Gründen.
Haifa. Wohl die bekannteste Stadt Israels – außer natürlich Jerusalem –, Handelszentrum, Hafen und trotzdem die angeblich sauberste und grünste Stadt des ganzen Landes. Wir durften von oben einen Blick darauf werfen, dann fuhren wir hinunter, aber nicht hinein. Irgendwo in einem Außenbezirk kurvte der Bus auf einen Parkplatz, der schon von anderen Bussen angefahren worden war und zu einer Raststätte gehörte. Von außen sah sie recht einladend aus, halb Stein, halb Glas, hinter dem an vollbesetzten Tischen viele Leute Seltsames aßen. Freie Plätze waren nur auf der schattenlosen Terrasse. Selbstbedienung.
Sehr appetitanregend war eigentlich nichts von dem, was da hinter Glasscheiben aufgereiht war: Belegte Brote mit schon welk gewordenem Salatblatt (anscheinend hatten die Israelis das einstmals englische Mandat noch immer nicht überwunden), Suppenkellen, die aus Töpfen mit nicht genau zu definierendem Inhalt ragten, verschiedene Kuchen, bei denen die Rosinen nur schwer von den sie umschwirrenden Fliegen zu unterscheiden waren, doch das Angebot umfaßte auch Schnitzel mit Pommes frites (zehn Minuten Wartezeit!) und ungarisches Gulasch.
»Wenn ich es mir recht überlege, habe ich eigentlich gar keinen Hunger«, sagte Irene, als wir beim Kaffeeautomaten angekommen waren. »Außerdem ist es ungesund, bei dieser Hitze so viel zu essen. Nicht umsonst nimmt man in heißen Ländern die Hauptmahlzeit am Abend ein. Willst du auch einen Kaffee?« Bei dem Automaten handelte es sich um ein britisches Erzeugnis, was zwar den Schluß nahelegte, daß der Kaffee auch englische Qualität haben würde (sie können nun mal keinen kochen!), aber wenigstens würde er nicht nach Pfefferkuchen schmecken.
Mit den dampfenden Plastikbechern flüchteten wir aus dem überfüllten Etablissement, und dann hätte ich meinen beinahe fallenlassen, als plötzlich ein ohrenbetäubendes Geräusch ertönte. Keine zehn Meter hinter uns donnerte ein Zug vorbei.
»Reizender Platz für eine Raststätte«, meinte Irene nur.
»Aber sehr verkehrsgünstig! Hinten Eisenbahn und vorne Küstenstraße. Was meinst du, schaffen wir es, sie lebend zu überqueren? Dann könnten wir uns ans Meer setzen.«
Auf diesen Gedanken waren auch schon andere gekommen. Wir zogen die Schuhe aus und stapften durch den warmen Sand zum Wasser hinunter, wo eine leichte Brise für Kühlung sorgte. Mit hochgezogenen Hosenbeinen stakste der Huber-Sepp durch die Wellen. »Jo mei, dös tut guat.«
Ein paar Meter weiter erörterte Ehefrau Maria mit Elena die Wahrscheinlichkeit, am Nachmittag wenigstens eine christliche Kirche besichtigen zu können. »Dös glaub i net, heut kriag’n mir nur lauter Altes zum Sehen. Und schlafen sollen wir in an Kibbuz. Was is nachher dös?«
Mit allen Anzeichen des Entsetzens stürmte Ännchen durch den Sand. »Ich glaub’s oifach net, awer die hewe net ämol än Abort in dem Lokal. Ja, isch denn des üwwerhaupt geschdaddet? Wo solle mä donn jetzt nogehe?«
Diese Frage blieb ungeklärt, denn es gab tatsächlich weit und breit keine Toilette. Wieder im Bus, wurde Menachem von allen Seiten auf die Unhaltbarkeit derartiger Zustände hingewiesen, worauf er eine kleine Abweichung der vorgesehenen Route anordnete. Der Hotelportier zeigte sich wenig begeistert von der Invasion hereinstürzender Touristen, die alle dasselbe Ziel hatten, doch ein Bakschisch muß ihn wohl milde gestimmt haben. Als wir das Foyer wieder verließen, wünschte er uns sogar noch gute Weiterfahrt.
Müdigkeit machte sich breit. Sepp schnarchte, Alberto röchelte, Betti jammerte leise vor sich hin, weil sie Magenschmerzen hatte, Uwe holte seinen Walkman aus der Tasche und stöpselte sich von der Außenwelt ab, Terjungs und die Yuppies debattierten die Frage, in welchem Restaurant auf Mustique man die besten Hummer bekomme.
»Weißt du, wo Mustique liegt?«
»Mücke«, murmelte Irene schläfrig.
»Was?«
»Moustique ist französisch und heißt Mücke.«
»Das weiß ich auch, aber irgendwo muß es noch eine Insel geben, die genauso heißt.«
»Willst du da hin?« Sie gähnte ausgiebig. »Nein.«
»Warum mußt du dann wissen, wo sie liegt?« Auch wieder wahr!
»Wollen wir nicht mal alle etwas singen?« forderte Waltraud die vor sich hin dösende Busbesatzung auf und fing auch gleich damit an. »Das Wandern
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