Muss ich denn schon wieder verreisen?
gehämmerte flache Schale in die Hand. »Sehrr billig.«
Ehe ich mich nach dem Preis erkundigen konnte, nahm mir Irene den Teller aus der Hand, stellte ihn zurück und zog mich weg. »Erstens ist das kein Silber, und zweitens würde der uns sowieso über den Tisch ziehen. Außerdem war das Ding selten geschmacklos.«
Damit hatte sie zwar recht, doch ich wollte mich ja nur mal ganz allgemein über die gängigen Preise informieren.
»Bist du noch nie in einem Basar gewesen?« Sie sah mich an, als hätte sie ein Wesen von einem anderen Stern vor sich.
»Nein, wo denn? Ich war noch nie im Orient.«
»Nicht mal in Tunesien oder Marokko?«
»Nein, zum Kuckuck noch eins!«
»Dann laß dir sagen, daß es in einem Basar keine festen Preise gibt. Da handelt man, je nach Größe des Objekts kann das Minuten oder Stunden dauern, und soviel Zeit haben wir jetzt sowieso nicht.«
»Feilschen habe ich in Kenia gelernt.«
»Na prima. Dann kannst du deine Fähigkeiten sicher in Jerusalem vervollständigen. Dort haben wir einen ganzen Tag zur freien Verfügung.«
Immer weiter schoben wir uns durchs Gewühl, bogen links in einen Gang ein, dann wieder rechts, und hatten restlos die Orientierung verloren, als wir eigentlich schon am Bus hätten sein sollen.
»Where is the exit, please?« Der Knabe mit dem gehäkelten Käppi sah mich mit offenem Mund an und schüttelte nur den Kopf.
»Ob wir aus diesem Irrgarten noch mal rauskommen?« japste ich, während wir so schnell wie möglich durch die Gassen hetzten. »Hier waren wir doch schon, ich kann mich genau an die Säule mit den verstaubten Sonnenbrillen erinnern.«
»Ich auch, und wenn ich mich nicht irre, müssen wir jetzt geradeaus und dann links.«
»Da kommen wir gerade her«, sagte jemand neben uns, »das ist auch verkehrt.«
Hanni und Gustl, die doch auf ihrer Radtour quer durch Holland ein gewisses Feeling für das Aufspüren unbekannter Wege entwickelt haben sollten, hatten sich ebenfalls verlaufen.
»Bevor wir planlos herumirren, fragen wir so lange, bis uns jemand Auskunft geben kann«, entschied Irene. »Irgendwer wird doch mal englisch sprechen!«
Ich versuchte es bei den Budenbesitzern auf der rechten Seite, Irene klapperte die linke ab, Gustl und Hanni hielten die Vorübergehenden an. An der nächsten Ecke trafen wir wieder zusammen und hatten fünf verschiedene Ratschläge erhalten, von denen zwei halbwegs übereinstimmten. Mit zwanzig Minuten Verspätung erreichten wir den Bus und waren trotzdemnicht die letzten. Heini und Ännchen fehlten noch, der Huber-Sepp war bei den Fleischständen verlorengegangen und noch nicht wieder aufgetaucht, und Betti hatte man zum letztenmal beim türkischen Honig gesichtet.
Weder Frau Marquardt noch Menachem wunderten sich. »Der Rekord liegt bei zweiundsiebzig Minuten Verspätung«, sagte er, auf seine Uhr blickend. »Wir haben also noch viel Zeit, bis er überboten wird. Gleich nebenan ist übrigens eine Teestube.«
Zum erstenmal probierte ich Nana, den gesüßten Tee mit dem frischen Minzblatt obendrauf, der nicht nur hervorragend schmeckt, sondern beim Trinken auch noch den Eindruck von Kühle vermittelt, obwohl er brühheiß serviert wird.
Nach der zweiten Tasse tauchten der Sepp und die Betti auf, nach der dritten waren auch die beiden Schwaben endlich da. »Ha no, des isch jo än Irrgarde, ä Labarinth isch des«, schnaufte Ännchen mit hochrotem Kopf, »un närgends än Wegweiser oder ä Schildle, wo mä sich orientiere könnt. Nur so Kringle un Zeiche, wo koin Mensch verschtehd.«
»Dann fragt man eben«, sagte Claudia. »ja, wie denn? Von dene Schwarzä schwätzt doch koiner deutsch.«
»Wo haben Sie denn Schwarze gesehen?« fragte Menachem amüsiert.
»So richtig schwarz senn se jo net, awer dunkel halt mit den weiße Hemdle o.«
Als sich der Bus endlich hätte in Bewegung setzen können, konnte er’s nicht, weil die Rush-hour begonnen hatte und sämtliche Straßen verstopft waren. Meter um Meter krochen wir im Stau vorwärts, umgeben von quietschenden Bremsen, Geschrei und Gehupe, das erst aufhörte, als wir von der Hauptstraße abbogen. Es wurde ruhiger, und bald hörten wir nur noch das gleichmäßige Brummen des Motors.
Die Straße ging über in eine weitläufige Parkanlage mit hohen Bäumen, Blumenrabatten und sorgfältig geharkten Wegen. Dazwischen lagen verstreut weiße Bungalows, vor denen Kinder spielten und Omas in der Abendsonne saßen.
»Wir sind da«, sagte Menachem, als der Bus vor einem
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