Muss ich denn schon wieder verreisen?
Pflanzen, die sich sogar gegen unsere unübliche Bodenbeschaffenheit behaupten würden.
»Menachem, was, glauben Sie, wäre das Richtige für einen Garten, in dem fünf Birken wachsen, auf den den halben Tag lang die Sonne draufknallt und dessen Untergrund aus verbuddeltem Bauschutt besteht?«
Er überlegte nicht lange. »Vielleicht eine Fahnenstange?«
Vor dem Hotel fanden wir Frau Marquardt, die sich mit ergebener Miene das Lamento von Betti Hauser anhörte. Diesmal ging es nicht um das Problem, ob Fenster auf oder Fenster zu, sondern um etwas viel Schlimmeres. Betti hatte Ungeziefer in ihrem Zimmer entdeckt! Einen Käfer und etwas Grünes mit Flügeln, so ähnlich wie eine Heuschrecke, aber es sei keine gewesen. »Wie kommt so etwas in den zweiten Stock? Da muß doch das ganze Haus verseucht sein.«
»Haben Sie daheim niemals Insekten in der Wohnung?«
»Äußerst selten«, beteuerte Betti sofort. »Aber die kenne ich ja alle. Hier weiß man doch nie, welche Krankheiten solche Tiere übertragen können. Jedenfalls betrete ich mein Zimmer nicht, bevor nicht dieses Ungeziefer entfernt worden ist.«
Menachem bot seine Dienste als Kammerjäger an, was Betti dankbar akzeptierte. Außerdem tropfe der Wasserhahn.
»Das ist auch so eine von denen, die sich für teures Geld immer wieder im Ausland davon überzeugen, daß es zu Hause viel schöner ist«, seufzte Frau Marquardt. »Man sollte sie auf den Mond schießen.«
»Heutzutage nützt das auch nichts mehr, sie kommen ja alle wieder zurück.« Irene drückte mir das Wie-auch-immeres-heißt-Pflänzchen in die Hand. »Geh schon mal rauf, ich komme gleich nach.«
»Habt ihr Geheimnisse?«
»Unsinn, ich will Frau Marquardt bloß was fragen.«
»Darf ich das nicht hören?«
»Noch nicht!«
Ich steuerte den Fahrstuhl an, machte jedoch sofort einen Bogen, als ich die Lodenschwestern dort stehen sah, und benutzte die Treppe. Ist sowieso viel gesünder. Auf halber Höhe kam mir Menachem entgegen. »Der Käfer war ein Ohrenzwicker und die Heuschrecke eine Libelle«, teilte er mir grinsend mit.
»Haben Sie denn auch den Wasserhahn repariert?«
»Ich habe ihn nur richtig zugedreht.«
Oben angekommen, versorgte ich Irenes Gemüse mit einem feuchten Papiertaschentuch, goß mir ein halbes Glas karmelitischen Schlummertrunk ein, schaltete die Lampe aus und öffnete das Fenster. Im See spiegelten sich die Lichter der Uferpromenade, und darüber stand, hauchdünn wie eine Oblate, der Mond. Schwankende Pünktchen signalisierten die Standorte vereinzelter Fischerboote, und immer wieder schwirrten vor meinen Augen Glühwürmchen vorbei. Und zu Hause sitzen sie jetzt bei heruntergelassenen Rolläden im geheizten Zimmer vor der Fernseh-Wetterkarte und lassen sich erzählen, wie kalt es morgen wieder sein wird. Bei diesem Gedanken fühlte ich mich ausgesprochen wohl.
Rrrumms. Die Tür flog auf, und herein stolperte eine kichernde Irene. »Ich habe mal wieder goldrichtig gelegen!«
»Womit?«
»Mit meiner Vermutung, daß die über uns tratschen.«
»Na und? Tun wir ja auch.«
»Aber nicht im Kollektiv.«
»Blödsinn. Sooo interessant sind wir nun auch nicht.«
»Hast du ’ne Ahnung!« Sie goß den Rest Wein in ihr Zahnputzglas und setzte sich aufs Bett. »Daß ich etwas mit Blumen zu tun habe, ist ja kein Geheimnis, das habe ich sogar mal erzählt, als wir irgendwo herumstanden, aber was du machst, scheint den ganzen Verein doch mächtig zu beschäftigen. Die Nur-Hausfrau nehmen sie dir nicht ab, dazu seist du zu emanzipiert. Offenbar schwanken die Meinungen zwischen Besitzerin einer Boutique für den gehobenen Anspruch und Sekretärin bei einem Industrieboß. Man rätselt nur noch, ob du verheiratet bist, und falls ja, wie du Job und Haushalt unter einen Hut kriegst.«
»Wahrscheinlich habe ich einen Butler und zwei Putzfrauen fürs Grobe. Woher weißt du das alles?«
»Von Frau Marquardt natürlich. Die bekommt doch da vorn im Bus alles mit.«
»Dann hätte sie auch ruhig sagen können, was Sache ist, sie kennt mich ja lange genug.«
»Eben! Deshalb will sie es dir überlassen, ob und wann du die Tratschtanten über dein Doppelleben aufklärst.«
»Doppelleben! Wie sich das anhört!« sagte ich ärgerlich. »Ich bin doch nicht beim BND.«
Irene lachte. »Wie willst du denn sonst jemanden bezeichnen, der im Paß als Beruf Hausfrau angibt und unter einem Pseudonym recht erfolgreiche Bücher schreibt?«
»Das ist ein Hobby und kein Beruf.«
»Ist ja auch egal«,
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