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Muße: Vom Glück des Nichtstuns (German Edition)

Muße: Vom Glück des Nichtstuns (German Edition)

Titel: Muße: Vom Glück des Nichtstuns (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Schnabel
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und behauptet sich gegen eine harte Konkurrenz. Doch am liebsten ist er unterwegs. »Ich bin gern mal sechs Monate nicht im Büro, sondern auf Expedition in Südamerika«, sagt der kleine, aber zähe Mann. Nicht einmal ein Handy hat er dann dabei. Warum auch? »Selbst wenn die Zentrale brennt, könnte ich nicht helfen, während ich am Amazonas campe. Die müssen schon selbst die Feuerwehr rufen«, meint der Firmenchef.
    Die Eigenwilligkeit ist Programm. Der 1938 geborene Sohn frankokanadischer Einwanderer liebte schon als Jugendlicher seine Freiheit. Damals entdeckte er das Bergsteigen, reiste auf Güterzügen durchs Land, schlief im Freien und ernährte sich wochenlang von Haferflocken, selbst erlegten Erdhörnchen und Katzenfutter. Heute beweist er, dass man sich als Unternehmer nicht korrumpieren muss und dass man eine Firma auch mit Muße, ganzheitlichem Denken und ohne das ständige Schielen nach dem Shareholder-Value zum Erfolg führen kann.
    Arbeit verstand Chouinard nie als reines Profitstreben, sondern als Mittel zum Zweck, um das Leben führen zu können, das ihm vorschwebte. Zum Geschäftsmann wurde er ohnehin nur aus Zufall. Als 18-jähriger Kletterfreak wollte er die langen Felswände im Yosemite-Nationalpark durchsteigen und brauchte dazu stabile Kletterhaken. Weil es damals nichts Passendes zu kaufen gab, schmiedete er sie sich kurzerhand selbst. Als andere Bergsteiger sich dafür interessierten, verkaufte sie Chouinard für 1,50 Dollar pro Stück – das war sein Einstieg ins Business.
    Dann kam eins zum anderen. Die Nachfrage nach den Haken wuchs, Chouinard heuerte Freunde an, seine Frau Malinda stieg mit ein und 1970 war er der größte Kletterhakenlieferant Amerikas. Da musste er sich eingestehen, selbst zu dem geworden zu sein, was für ihn früher »das Schlimmste« war – ein Unternehmer. Zugleich dämmerte ihm: Nur wenn man »im Business« ist, kann man es verändern. Und das tat er.
    Als er bei seinen Klettertouren sah, dass die vielfach geschlagenen Haken den Fels zerstörten, nahm er sie kurzerhand aus dem Sortiment und propagierte umweltfreundlichere Klemmkeile. Als er feststellte, wie schädlich Baumwollfarmen sind, kaufte er für die Patagonia-Kleidung konsequent nur Bio-Baumwolle ein und wurde damit für andere Firmen zum Vorbild. Und als Patagonia so schnell wuchs, dass er 1991 in der Rezession 120 Mitarbeiter entlassen musste, schwor er sich, die »Fehler, die börsennotierte Firmen immer wieder machen« nie mehr zu wiederholen. Er begrenzte das Wachstum seiner Firma auf maximal fünf Prozent im Jahr, verpflichtete sich auf ein nachhaltiges Wirtschaften und verzichtete aufs Schuldenmachen, um von Banken unabhängig zu sein. Das zahlte sich aus: 2008, in der Finanzkrise, meldete Patagonia das beste Geschäftsjahr seiner Geschichte.
    Auch die »Flextime« gehört zur Firmenphilosophie. »Wenn zum Beispiel das Surfwetter großartig ist, sage ich meinen Mitarbeitern: Lasst uns surfen«, erklärt Chouinard. »Wir haben zwei Stunden Spaß. Danach geht’s zurück an den Schreibtisch.« Bei Neuschnee dürfen alle auf die Skier. Denn die Typen, die Chouinard sucht – Extremsportler, Einzelgänger, Nonkonformisten – lassen sich nicht mit Vierzigstundenwochen ködern. »Sie lieben ihre Freiheit und ihren Sport zu sehr, als dass sie sich in Regeln pressen lassen.« Natürlich muss die Leistung am Ende stimmen. Doch ein entspanntes Betriebsklima, weiß Chouinard, fördert letzten Endes auch die Kreativität.
    Dazu kommt ein echtes Sendungsbewusstsein. Ein Prozent des Patagonia-Umsatzes stiftet er für Umweltgruppen; 2001 schob er die Initiative 1 Percent for the Planet an, der sich Hunderte von Firmen anschlossen. Und mittlerweile berät der über 70-Jährige andere Unternehmen wie Wal-Mart und erklärt ihnen: Auf einem toten Planeten könne man keine Geschäfte machen. Deshalb ist weniger manchmal mehr.

DER TRENDRESISTENTE MALER – MANFRED JÜRGENS
     
    Bild 9

     
    Das Gedränge ist groß vor der Kneipe Zum Silbersack auf St. Pauli. Um die Ecke stehen die ersten Huren, wenige Meter weiter ist die Reeperbahn, überall lärmende Nachtschwärmer, angetrunkene Jugendliche und verschämt schauende Touristen. Doch im Silbersack drängen sich die Menschen heute Abend nicht der Mädchen, der Musik oder des Bieres wegen, sondern weil Manfred Jürgens zur »1. Hamburger Ein-Bild-Ausstellung« geladen hat.
    Ganz hinten in der Ecke sitzt der Maler mit den roten Locken, schreibt seit Stunden Autogramme

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