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Muße: Vom Glück des Nichtstuns (German Edition)

Muße: Vom Glück des Nichtstuns (German Edition)

Titel: Muße: Vom Glück des Nichtstuns (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Schnabel
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Müßiggänger sein. Lass die anderen doch »mit Volldampf« rennen – Ich behalte die Welt im Auge, die vor meinem Fenster vorbeispaziert / Nehm mir meine Zeit, liege da und starre an die Decke, warte auf ein schläfriges Gefühl m , wie es in dem Song weiter heißt.
    Was der wohl kreativste der vier Beatles da 1966 zum Ausdruck brachte, war mehr als nur eine momentane Stimmung. Es war vielmehr eine ziemlich exakte Beschreibung von Lennons eigenem Leben zu jener Zeit. Denn der Liverpooler Arbeitersohn war nicht nur ein ungehobelter Exzentriker, der ebenso kreativ wie aggressiv sein konnte, der nach eigenem Bekunden »mindestens tausend Trips« eingeworfen hat und mit seinen Liedern zu Weltruhm gelangte – sondern er war auch ein Meister des Müßiggangs.
    Er sei »wahrscheinlich der faulste Mensch Englands«, schrieb die (mit Lennon befreundete) Journalistin Maureen Cleave 1966 im Evening Standard über den Musiker, der »fast unendlich lang schlafen« könne. Er selbst sagte über sich, er sei »körperlich völlig träge«. Zwar liebe er geistige Beschäftigungen wie Schreiben, Lesen oder Diskutieren. Aber es gebe nur »eine physische Aktivität, die mich lockt« – Sex.
    Ansonsten erteilte er allem hektischen Aktivismus in seinen Songs immer wieder Absagen. »Die Leute sagen, ich bin faul und träume mein Leben hinweg. / Sie geben mir alle möglichen Ratschläge, die mich erleuchten sollen. / Wenn ich ihnen sage, dass es mir gut geht, wenn ich die Schatten an der Wand beobachte …« heißt es etwa in Watching the wheels .
    Und doch entstanden gerade aus diesem Untätigsein heraus einige der schönsten Ideen. Typisch ist etwa die Entstehung von Nowhere Man , eines der berühmtesten von Lennons Liedern. »Ich hatte morgens fünf Stunden lang versucht, einen Song zu schreiben, der gut war und eine Bedeutung hatte«, berichtete Lennon. Doch offenbar war das Ergebnis alles andere als befriedigend. »Schließlich gab ich auf und legte mich hin. Dann kam Nowhere Man , Text, Musik, das ganze verdammte Ding.« Und als Paul McCartney an jenem Tag, wie so oft, zum gemeinsamen Komponieren in Lennons 27-Zimmer-Villa in Weybridge eintraf, war der Song bereits fix und fertig, und John lag wieder auf der Couch und schlief. Nowhere Man, don’t worry / Take your time, don’t hurry, / Leave it all till somebody else lend you a hand …
    Folgerichtig verfiel Lennon auch auf eine ganz eigene politische Aktion, um seinem Wunsch nach Frieden und Harmonie Ausdruck zu geben: Die Bed-ins , die er zusammen mit seiner großen Liebe Yoko Ono organisierte. Direkt nach ihrer Hochzeit im März 1969 bezogen der Musiker und die Künstlerin die Präsidentensuite des Amsterdamer Hilton-Hotels, um dort eine Woche lang von zehn Uhr morgens bis 10 Uhr abends vor aller Welt im Bett zu liegen und mit jedem, der sie besuchte, über den Frieden zu reden. Während sich die Weltpresse vor dem Hotelzimmer der beiden die Füße platt trat, saßen Lennon und Ono in weißen Pyjamas in ihrem Bett, umgeben von Blumen und sagten zu jedem, der kam: »Peace, brother« . Das Aufsehen war enorm. Das Bed-in sei »die beste Idee, die wir je hatten«, gewesen, sagte Lennon selbst über die Aktion. »Das war wie eine Tournee, nur dass man sich nicht von der Stelle bewegte.« Dass Irritationen da nicht ausblieben, war kein Wunder. In ein Raster pressen lassen wollte Lennon sich eben nie. Dass die Verwirrung unter seinen Fans allerdings so weit gehen sollte, dass einer von ihnen den Musiker am Abend des 8. Dezember 1980 auf dem Nachhauseweg vom Tonstudio erschoss, konnte sich niemand vorstellen. Doch als hätte Lennon selbst geahnt, was auf ihn zukam, veröffentlichte er wenige Wochen vor seinem Tod das Lied Beautiful Boy (Darling Boy) , das den wunderbaren Satz enthält: »Leben ist das, was uns zustößt, während wir eifrig dabei sind, andere Pläne zu machen.« n

DER HIRNFORSCHER IM BUNKER – ERNST PÖPPEL
     
    Bild 6

     
    Mitte der sechziger Jahre, als die Menschheit sich anschickte, ins Weltall aufzubrechen, erreichte den jungen Doktoranden Ernst Pöppel eine ungewöhnliche Anfrage der NASA. Die amerikanische Raumfahrtbehörde wollte wissen, wie Astronauten wohl auf die lange Isolation in einer engen Raumkapsel reagieren würden. Dazu wurden am Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie, an dem Pöppel damals arbeitete, gerade die ersten »Bunkerexperimente« durchgeführt: In einem tief im Fels vergrabenen Bunker im bayrischen Andechs erprobten

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