Mustererkennung
diese Rechenmaschinen zu verkaufen?«
»Die Curtas. Toll, was? Ngemi und Hobbs hoffen, sie können zusammen machen Geschäft, mit japanischem Sammler.
Schwierig, Hobbs. Immer.«
»Auch ein Händler?«
»Mathematiker. Genialer Mann, trauriger Mann. Verrückt nach Curtas, kann sich aber nicht leisten. Kauft und verkauft.«
»Er wirkte nicht sonderlich umgänglich.« Daß es ihr leicht fällt, bizarre Gespräche zu führen, schreibt Cayce ihrer Tätigkeit als Trendscout zu, dem ›Coolhunting‹ – auch wenn sie diesen Ausdruck haßt – auf der Straße. Dabei hat sie eine Menge Erfahrungen gesammelt. Sie war in Gegenden von LA, die Namen wie Dogtown tragen und angeblich so epochale Trends wie das Skaten hervorgebracht haben. Sie hat sich dort aussetzen lassen, um vielleicht den Keim dessen zu entdecken, was der nächste Hype werden könnte. Und dabei hat sie gelernt, daß es vor allem darauf ankommt, die nächste Frage zu stellen. Dadurch, daß sie die nächste Frage gestellt hat, ist sie zum Beispiel mit dem Mexikaner ins Gespräch gekommen, der als erster seine Baseballkappe verkehrt herum trug. So gut ist sie. »Wie sieht dieser ZX 81 aus?«
Voytek Biroshak bleibt stehen, kramt in seiner Posttasche und zieht ein ziemlich traurig aussehendes Ding aus abge—schubbertem schwarzem Plastik heraus, rechteckig, etwa so groß wie eine Videokassette. Es hat eine von diesen Folientasta-turen, die wundersamerweise tatsächlich funktionieren; das weiß Cayce von den Decoder-Boxen in gewissen Motels, wo sie den Gästen zutrauen, buchstäblich alles zu klauen.
»Das ist ein Computer?«
»Ein KRAM!«
»Eins?«
Sie sind jetzt auf einer Straße namens Westbourne Grove mit trendigen Läden, und unten an der Kreuzung Portobello sieht sie es wimmeln. »Was machst du damit?«
»Das ist kompliziert.«
»Wie viele hast du?«
»Viele.«
»Wieso stehst du auf die Dinger?«
»Weil sie haben historisches Bedeutung für Computerwesen«, sagt er ernst, »und für Großbritannien. Sie sind Grund, warum hier gibt so viele Programmierer.«
»Wieso das?«
Aber er entschuldigt sich und geht in eine enge Gasse, wo gerade ein zerbeulter Van ausgeladen wird. Wechselt rasch ein paar Worte mit einer korpulenten Frau in einem türkisfarbenen Regenmantel, kommt wieder und stopft noch zwei von den Dingern in seine Posttasche.
Im Weitergehen erklärt er ihr, Sinclair, der britische Erfinder des Geräts, sei jemand gewesen, der vieles richtig gesehen habe, aber auch vieles genau falsch. Er habe die Marktchancen für erschwingliche Computer erkannt, aber darauf gesetzt, daß die Leute an diesen Computern programmieren lernen wollten. Der ZX 81, in den USA als Timex 1000 vermarktet, habe umgerech—net keine hundert Dollar gekostet, aber vom Benutzer verlangt, auf dieser kleinen Motel-Folientastatur Programme einzugeben.
Das habe zum einen dazu geführt, daß sich das Gerät nur kurz auf dem Markt habe halten können, und zum anderen zur Folge gehabt, daß es jetzt, zwei Jahrzehnte später, in Großbritannien eine vergleichsweise große Zahl von fähigen Programmierern gebe. Die Leute seien von diesen kleinen Kästen und ihren Programmieranforderungen geprägt. »Wie die Hacker in Bul—garien«, setzt er kryptisch hinzu.
»Aber wenn Timex das Gerät in den USA verkauft hat«, fragt sie, »warum haben wir dann nicht auch die dazugehörigen Programmierer?«
»Ihr habt Programmierer, aber Amerika ist anders. Amerika wollte Nintendo. Nintendo macht keine Programmierer. Au-
ßerdem, als Gerät in Amerika auf Markt kam, war drei Monate Speichererweiterung nicht lieferbar. Die Leute kaufen Computer, bringen nach Hause und merken, daß fast nichts kann.
Total Katastrophe.«
Cayce ist sich ziemlich sicher, daß England ebenfalls Nintendo wollte und es auch gekriegt hat, und daß die Briten, wenn Voyteks Theorie stimmt, lieber nicht zu fest mit weiteren Re-kordernten an Programmierern rechnen sollten. »Ich brauche einen Kaffee«, sagt sie.
Er führt sie in eine windschiefe Arkade an der Ecke Portobello-Westbourne Grove, vorbei an kleinen Ständen, wo Russen ihr buntscheckiges Uhrensortiment auslegen, und eine Treppe hinunter, um ihr schließlich eine Tasse mit etwas Dampfendem zu spendieren. Es entpuppt sich als der »weiße« Kaffee der Englandreisen ihrer Kindheit, ein Spiegelweltgetränk aus Vor-Starbucks-Zeiten, das wie dünner Instant-Kaffee mit Unmengen von Kondensmilch und einer Klinikpackung Zucker schmeckt. Sie muß daran denken, wie
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