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Mustererkennung

Mustererkennung

Titel: Mustererkennung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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vergessen wird. Er lächelt kindlich und irgendwie sympathisch offen unter den slawischen Wangenknochen, dreht sich dann um und verschwindet in der Menge.
    Cayce verbrennt sich die Zunge an dem immer noch heißen Kaffee. Entsorgt ihn in einen bereits überquellenden Mülleimer.
    Sie beschließt, zu Fuß zum Starbucks an der U-Bahn-Station Notting Hill zurückzugehen, einen Café Latte mit Spiegelweltmilch zu trinken und dann die U-Bahn nach Camden zu nehmen.
    Allmählich hat sie das Gefühl, wirklich hier zu sein.
    »Er hat ‘ne Ente ins Gesicht gekriegt, bei zweihundertfünfzig Knoten«, murmelt sie, diesmal jedoch als Ausdruck von Dank-barkeit, und macht sich auf den Rückweg zur U-Bahn.
     
    5

WAS SIE VERDIENT HABEN
    Genauso, wie sie ihn in Erinnerung hat, der Kinderkreuzzug.
    Damiens Ausdruck für das, was samstags über Camden
    Town hereinbricht, dieses Geschiebe von jungen Leuten, die wie ein Zug Lemminge die High Street von der U-Bahn bis zum Camden Lock verstopfen.
    Während sie auf schwindelerregenden Rolltreppen mit Stufen aus irgendeinem schmuddligen, hellen, scheinbar unverwüstlichen Hartholz den ratternden, seufzenden Tiefen der Station entsteigt, wird die Meute immer dichter und lauter.
    Draußen auf dem Gehweg ist sie jäh mittendrin in den Massen, die die gesamte High Street füllen wie auf einem viktorianischen Stich von einer öffentlichen Hinrichtung oder einem Renntag.
    Die Fassaden der bescheidenen Ladengebäude zu beiden Seiten sind mit verzerrten, überdimensionalen Aushängesymbolen gespickt: alte Flugzeuge, Cowboystiefel, ein mächtiger Doc Martens mit Zwölf-Loch-Schnürung. Das ganze Zeug hat etwas Süßlich-Selbstgemachtes, als hätten Riesenkinder es aus Wa—genladungen Fimo modelliert.
    Cayce hat hier Stunden damit zugebracht, die kreativen Kräfte führender Sportschuhhersteller durch den wandernden Wald von Füßen zu geleiten, mit dem diese Leute ihr Vermögen
    machten. Und noch öfter war sie allein hier, auf der Suche nach elektrisierenden kleinen Street-Fashion-Phänomenen, die es wert waren, nach Hause gemailt zu werden.
    Nicht zu vergleichen, die Portobello Road und das hier; hier sind ganz andere Energien am Werk, liegt über allem eine Mischung aus Pheromonen, Nelkenzigaretten und Haschisch.
    Während sie Kurs auf den praktischen Orientierungspunkt
    Virgin-Megastore hält, überlegt sie, ob sie nicht einfach mit dem Strom schwimmen und für heute auf einen anderen Aspekt ihres Berufs umschalten soll. Das hier ist ein gutes Revier für Coolhunter, und sie hat immer noch Kunden in New York, die bereit sind, für einen Cayce-Pollard-Report darüber, was die Early Adaptors in diesem Gewühl tun, tragen und hören, ordentlich Geld hinzulegen. Aber sie verwirft es. Offiziell steht sie bei Blue Ant unter Vertrag, und außerdem ist sie sowieso alles andere als motiviert. Damiens Wohnung erscheint ihr verlok-kender und ist mit einem Minimum an Drängeln und Schieben erreichbar, wenn sie die Aberdeen Street nimmt, wo sie sich an den Obst-und Gemüseständen gleich noch mit weiteren Vorrä-
    ten eindecken kann.
    Hier findet sie frischere Ware als im lokalen Supermarkt und geht mit einem transparent-rosa Plastikbeutel voll spanischer oder marokkanischer Orangen nach Hause.
    Damiens Wohnung hat keine Alarmanlage, worüber sie froh
    ist, denn es ist ihr schon hin und wieder passiert, daß sie irgendwelche fremden Alarmsysteme ausgelöst hat, und sie ist nicht scharf auf eine Wiederholung. Damiens Schlüssel sind so groß und schwer und fast so hübsch messingfarben wie die klobigen Ein-Pfund-Münzen: einer für die Haustür, zwei für die Wohnungstür.
    Das Gefühl beim Wiederbetreten der Wohnung ist ein Indi—kator für ihre emotionale Akklimatisierung. Offenbar ist ihre Seele jetzt weitgehend eingetroffen. Kein Vergleich mit dem Horror der frühen Morgenstunden; jetzt ist das hier einfach nur Damiens Wohnung oder eine frisch renovierte Version derselben, und allenfalls vermißt sie ihn. Wenn er nicht gerade in Rußland für einen Dokumentarfilm scouten würde, könnten sie sich gemeinsam durch das Gewimmel von Camden Town arbeiten und den Primrose Hill hinaufsteigen.
    Die Begegnung mit Voytek und seinen Freunden und diesen
    kleinen schwarzen Rechenmaschinen aus Buchenwald – was
    immer das sein mag – erscheint ihr jetzt wie ein Traum der letzten Nacht.
    Sie schließt die Tür ab und geht zum Cube, der mit dunklem Bildschirm und leise blinkendem Sensor an seinem Platz steht.
    Damien

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