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Mustererkennung

Mustererkennung

Titel: Mustererkennung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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gefällt ihr gar nicht.
    Cayce blickt auf. »Sie meinen, das Ganze ist eine Menge Geld wert?«
    Bigend sieht sie absolut ernst an. »Ich bewerte Dinge nicht in Geld. Ich bewerte sie nach der Qualität.«
    Und irgendwie glaubt sie ihm, obwohl das auch nichts hilft.
    »Hubertus, worauf wollen Sie hinaus? Ich bin hier, um für Blue Ant einen Logo-Entwurf zu begutachten. Nicht, um über die Clips zu diskutieren.«
    »Wir plaudern ein bißchen.« Und das ist ein Befehl.
    »Nein, tun wir nicht. Ich habe meine Zweifel, ob Sie das jemals tun.«
    Jetzt lächelt Bigend, ein Lächeln, das sie noch nicht kennt, weniger Zähne, dafür aber vielleicht etwas mehr Authentizität.
    Dieses Lächeln soll wohl signalisieren, daß sie den äußersten Schutzwall seiner Person überwunden hat, daß sie jetzt eine Art Insider ist. Daß sich ihr der wahre Bigend offenbart: das unkonventionell denkende enfant terrible, das Mittdreißiger-Wunderkind, der Suchende, der auf den Märkten der Post-Singularität der Wahrheit auf der Spur ist (oder jedenfalls der Funktionalität). Dieser Bigend kommt unweigerlich in den Artikeln zum Vorschein, zweifellos in dem Moment, da die jeweilige Journalistin seinem Lächeln und seinen sonstigen Taktiken erlegen ist. »Ich möchte, daß Sie ihn finden.«
    »Ihn.«
    »Den Filmemacher.«
    »Warum nicht ›sie‹ weiblich? Oder ›sie‹, Plural?«
    »Die Quelle. Was immer Sie brauchen, steht zu Ihrer Verfü-
    gung. Sie arbeiten nicht für Blue Ant. In diesem Fall sind wir Partner.«
    »Warum?«
    »Weil ich es wissen will. Sie nicht?«
    Doch. »Haben Sie bedacht, daß wir, indem wir ›ihn‹ finden, den Prozeß stören könnten?«
    »Wir brauchen es ihr, weiblich, ja nicht zu sagen, wenn wir sie, Plural, gefunden haben.«
    Sie macht den Mund auf, um etwas zu sagen, merkt dann
    aber, daß sie keine Ahnung hat, was sie sagen soll.
    »Glauben Sie etwa, andere suchen nicht auch? Heutzutage geht doch viel mehr Energie in die Vermarktung von Produkten als in die Produkte selbst, egal, ob Sportschuhe oder Filme.
    Deshalb habe ich Blue Ant gegründet, aus dieser schlichten Erkenntnis heraus.
    Allein schon unter diesem Gesichtspunkt sind die Clips
    nachweislich das Werk eines Genies.«
     
    Bigend fährt sie nach Camden Town oder besser gesagt, in die entsprechende Richtung, denn irgendwann merkt sie, daß er sich die Straßen von Primrose Hill hinaufschlängelt. Das erkennt sie, weil es das Bergähnlichste ist, was London zu bieten hat. Blaue-Schildchen-Terrain, obwohl ihr von den Spaziergängen mit Damien nur Silvia Plaths Name hängengeblieben ist.
    Eine noblere Gegend als Camden. Freunde von ihr haben mal hier gewohnt und dann ihre Mansardenwohnung so teuer
    verkauft, daß sie sich ein Arts & Crafts in Santa Monica zulegen konnten, nur ein paar Blocks von Frank Geary.
    Bei alldem ist ihr gar nicht wohl. Sie weiß nicht recht, wie sie auf Bigends Antrag reagieren soll. Er hat sie in etwas zurückka-tapultiert, was ihre letzte Therapeutin unter »alte Verhaltens-weisen« verbuchen würde. Im vorliegenden Fall bestand dieses Verhalten darin, nein zu sagen, aber nicht energisch genug, und dann trotzdem weiter zuzuhören. Mit dem Ergebnis, daß ihr »nein« nach und nach aufgeweicht und in ein »ja« umgemünzt werden konnte, ehe sie es richtig mitbekam. Sie war der Meinung, in diesem Punkt viel dazugelernt zu haben, aber jetzt passiert es ihr wieder.
    Bigend, der den anderen Part dieses Tänzchens hervorragend beherrscht, scheint sich wirklich nicht vorstellen zu können, daß jemand nicht so will wie er. Margot hat das als den proble-matischsten, wenn auch zugegebenermaßen effektivsten Teil seiner sexuellen Strategie beschrieben: Er gehe an jede potentielle Partnerin heran, als hätten sie schon miteinander geschlafen. Und inzwischen erkennt Cayce, daß er es auf der geschäftlichen Ebene genauso macht: jeder Bigend-Deal wird so behandelt, als wäre er bereits unter Dach und Fach. Wenn man noch nicht unterschrieben hat, gibt er einem das Gefühl, man hätte es längst getan und nur vergessen.
    Irgendwie hat sein Wille etwas Amorphes, Nebelartiges: Er umwabert einen nahezu unmerklich, und plötzlich stellt man fest, daß man sich in eine Richtung bewegt, die man gar nicht einschlagen wollte.
    »Haben Sie das Guerilla-Re-edit des letzten Lucas-Films gesehen?« Der Hummer biegt um eine Ecke mit einem Pub, der so sehr der Inbegriff von Pub ist, daß er entweder erst ein paar Wochen alt ist oder aber gerade umgebaut wurde,

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