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Mustererkennung

Mustererkennung

Titel: Mustererkennung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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wird diese mystische Zahl, so es sie denn gibt, bestimmt nicht herausrücken, solange die Gefahr besteht, daß seine kleine Blume dann von der Bildfläche verschwindet. Auf einer Ebene ist er leicht zu verarschen, auf anderen aber verblüffend schlau. Er will Keiko leibhaftig sehen, und so verbleibe ich dein frustrierter Parkaboy.
    P.S. Was tun?
     
    Sie denkt ein Weilchen darüber nach, steht dann auf, um noch einmal die Tür und die Fenster zu kontrollieren, befingert dabei die neuen Schlüssel um ihren Hals.
    Geht ins Bad, Zähne putzen und Gesicht waschen. Im Spiegel ihr Gesicht, vor den weißen Kacheln der Wand in ihrem Rük-ken. Die Kacheln sind quadratisch, und sie sieht aus wie etwas, das man aus der Zeitung ausgeschnitten und auf ein Blatt Karopapier gelegt hat. Schlampig ausgeschnitten.
    Bilder, heraufbeschworen durch Damiens Mail. Haufen von Knochen. Dieses siebzehnstöckige, verzogene, zerfetzte Metall-gerippe. Krematoriumsasche. Dieser Geschmack im Rachen.
    Und sie ist jetzt hier, in diesem Apartment, das vor kurzem von irgendeinem mysteriösen Eindringling oder irgendwelchen mysteriösen Eindringlingen heimgesucht wurde. Dorotea als Industriespionin? Die Frau im Spiegel mit dem Zahnpasta—schaum auf den Lippen schüttelt den Kopf. Hydrophobie.
    Bigend, der will, daß sie erst mal drüber schläft. Was sie auch zweifellos tun wird, obwohl sie nicht will.
    Sie nimmt die silberne Tagesdecke, die so steif wie eine neue Plane ist, vom Bett, faltet sie zusammen und ersetzt sie durch eine grau bezogene Daunendecke, nagelneu, noch unbenutzt, die sie im Schrank gefunden hat.
    »Er hat ‘ne Ente ins Gesicht gekriegt, bei zweihundertfünfzig Knoten.« Ihr Gebet im Dunkeln.
    Mit geschlossenen Augen denkt sie sich ein Symbol, ein Wasserzeichen, das die rechte untere Ecke ihres Daseins markiert. Es ist da, gleich hinter einer Art Rand, jenseits des Materi-ellen, außerhalb des Gesichtsfelds, und es markiert sie als …
    was?

9 TRANS
    Als sie aufwacht, fällt Sonne durch Damiens Fenster.
    Quadrate von blauem Himmel, dekorative Wolkenfetzchen.
    Sie streckt die Zehen unter der Steppdecke. Erinnert sich
    dann wieder an die Komplikationen ihrer momentanen Lage.
    Aufstehen, beschließt sie, und dann raus und möglichst wenig denken. Frühstück.
    Sie bedient sich der chirurgisch-sterilen Dusche, schlüpft in Jeans und T-Shirt, geht raus, schließt ab und wiederholt den Bond-Trick mit einem neuen Haar und Pfefferminzspucke – versiegelt Damiens Wohnung gegen jedweden bösen Mojo.
    Den Parkway runter und rüber in die kleine Aberdeen, die
    einen Block lange Marktstraße, die nach Camden hineinführt.
    Dort kennt sie ein Café, französisch. Da war sie mal mit Damien frühstücken.
    Vorbei an Platten-und Comicläden, mit Flyern gepflasterten
    Schaufenstern (wo sie mit einem halben Auge nach dem Kuß
    sucht, ihn aber nicht findet).
    Da ist es: pseudo-französisch mit echt französischem Personal. Chunnel-Kids, Gastarbeiter.
    Das erste, was sie im Eintreten sieht, ist Voytek, an einem
    Tisch mit dem silberhaarigen Billy Prion, Ex-Frontmann einer Band namens BSE.
    Sie verfolgt seit langem gewisse obskure Spiegelwelt—
    Popgrößen, nicht, weil diese sie als solche interessieren, sondern weil ihre Karriere manchmal so komprimiert ist, so quantenhaft kurz, wie Teilchen, deren Existenz sich nur im nachhinein beweisen läßt, durch Spuren auf spezialbeschichteten Platten, auf dem Grund stillgelegter Salzbergwerke.
    Billy Prions Spur hängt damit zusammen, daß er sich für die
    ersten BSE-Gigs absichtlich die linke Mundhälfte mit Botox hat paralysieren lassen und daß, als Margot an der NYU einen Zusatzkurs über Krankheit als Metapher belegt hatte, Cayce ihr vorschlug, doch irgendwas über seinen Mund zu machen.
    Margot, die gerade am Entwurf für ein Referat laborierte, in dem Bigend die Krankheit war, für die sie eine Metapher brauchte, hatte sich nicht dafür erwärmen können.
    Da Cayce seither automatisch alles registriert hat, was in den Medien über Prion auftauchte, weiß sie, daß BSE sich aufgelöst haben und kurzzeitig das Gerücht ging, Prion habe etwas mit diesem finnischen Mädchen, dessen Band sich Velcro Kitty nannte, bis die Markenschutzanwälte auf den Plan traten.
    Als sie an dem Tisch der beiden vorbeigeht, sieht sie, daß
    Voytek um die Überreste seines Frühstücks ein Tarot aus
    Spiralnotizbüchern ausgebreitet hat, alle mit rotem Kuli bekrit-zelt. Diagramme, jede Menge untereinander verbundene

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