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Mustererkennung

Mustererkennung

Titel: Mustererkennung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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das klar.«
    »Wie?«
    »Da mußt du improvisieren.«
    »Danke.«
    »Du willst doch wissen, was es mit diesem Clip-Ding auf sich hat, oder?«
    »Du bist gnadenlos.«
    »Du auch. Deshalb kommen wir ja miteinander klar. Ich werde jetzt einen Beutel Schoko-Mokkabohnen schlachten und hier sitzen und mir die Zähne abmümmeln, bis ich von dir höre.«
    Er legt auf.
    Sie starrt in all diese starrenden Augen: Hello Kitty!, Kogepan und die schlaffen Pandas.
    17 WIRKUNGSTREFFER

LANDEN
    Vom ANA-Hotel, wo sie sich vom Taxi hat absetzen lassen,
    geht sie die Roppongi Dori hinauf und taucht ein in den Schatten des mehrlagigen Expressway, der wie das älteste Bauwerk von ganz Tokio wirkt. Tarkowski, hat ihr mal jemand gesagt, habe Teile von Solaris hier gedreht, mit dem Expressway als entdeckter Stadt der Zukunft.
    Jetzt ist er von einem halben Jahrhundert Verkehr und Um—
    weltverschmutzung abgewetzt, der Beton an den Kanten so
    porös wie ein Korallenriff. Hier unten kommt die Dämmerung
    früh, und Cayce entdeckt Anzeichen von Obdachlosen—
    Nachtlagern: in Plastik gehüllte Decken, die auf einem atypisch vermüllten Grünstreifen unter die mickrigen Stadtgärtnerei-sträucher gestopft sind. Oben dröhnt der Verkehr: der stete Rhythmus verdrängter Luft, unsichtbares Partikelgeriesel bei jedem vorübersausenden Fahrzeug.
    Roppongi ist, soweit sie sich erinnern kann, keine besonders nette Gegend, eine jener Zwischenzonen, eine Art Grenzstadt, Epizentrum des interkulturellen Sexhandels in Zeiten der Aktienblase. Wenn sie hier war, dann stets mit einem Schwarm von Leuten, in Bars, die damals total angesagt waren und es jetzt sicher nicht mehr sind. Aber da war immer so eine unangenehme Unterströmung, die ihr nirgendwo sonst in Tokio aufgefallen ist.
    Sie bleibt stehen, guckt auf die Parco-Tüte in ihrer Hand. Seit Stunden scheuert ihr der Plastikhenkel die Handfläche wund.
    Irgendwie erscheint ihr das nicht das passende Accessoire für so ein Treffen. Nichts drin in der Tüte als ihr drittbester Rock, die Strumpfhose, das geschrumpfte schwarze Fruit-Shirt. Sie stopft die Tüte zwischen zwei zerzauste Sträucher, die der Autobahn-schatten auf Bonsai-Format zurückgetrimmt hat, und geht weiter.
    Aus dem Schatten heraus und bergauf, in den eigentlichen
    Abend und das eigentliche Roppongi. Sie guckt auf den Plan, den sie vorhin vom Bildschirm auf eine Papierserviette abge—malt hat. Parkaboy hatte ihr Takis Stadtplanausschnitt gefore-wardet. Der Treffpunkt ist mit einem Kreuzchen markiert. Eine von den schmalen Straßen, den Sträßchen jenseits der Haupt-straße. Die sind in ihrer Erinnerung entweder aufgemotzt oder schäbig, je nachdem, welche Gewerbe dort betrieben werden.
    Schäbig in diesem Fall, stellt sich heraus, nachdem sie zwanzig Minuten mit Hilfe der Papierserviette gewandert ist und unterwegs irgendwann einmal von ferne das Henry Africa’s erspäht hat, diese Emigranten-Bar, an die sie sich erinnert, die jetzt aber nicht ihr Ziel ist.
    Ihr Ziel ist, wie sie nun am Rande ihres Suchradarfelds entdeckt, eins dieser offenbar namenlosen, kleinen, in schmalen Seitenstraßen wie dieser hier gelegenen und mit roten Laternen markierten Pub-Äquivalente, die im allgemeinen touristenfreie Zone sind. Mit ihrem elementaren Dekor – oder besser Nicht-Dekor – erinnern sie Cayce an eine bestimmte Spezies funktionaler Alkoholverabreichungsstätte in Lower Manhattan, die jetzt so gut wie ausgestorben ist, da sich die Ley-Linien der City immer weiter verschoben haben, zunächst als Reaktion auf ein Jahrzehnt Disneyifizierung, inzwischen aus unheilvolleren Gründen.
    In einem offenen Eingang hinter einem schmuddligen Noren
    erspäht sie unbesetzte Chromhocker, die drehbare Eisdielensor-te, aber ganz niedrig, vor einem entsprechend niedrigen Tresen.
    Die roten Sitzpolster haben Risse und Schaumstoffbeulen. Sind, genau wie Cayces Jacke, mit Klebeband geflickt.
    Sie seufzt, strafft sich, geht hin und taucht, an dem Noren vorbei, ein in einen abgestandenen, vielschichtigen und irgendwie nicht unangenehmen Geruch nach frittierten Sardinen, Bier und Zigaretten.
    Kein Problem, Taki zu erkennen. Er ist der einzige Gast.
    Steht auf und verbeugt sich, tomatenrot vor Verlegenheit.
    »Sie müssen Taki sein. Ich bin Cayce Pollard. Keikos Freundin aus Kalifornien.«
    Er blinzelt ernst durch schuppenbestäubte Brillengläser.
    Steht nickend da, unsicher, ob er sich wieder setzen soll. Sie wählt den Stuhl ihm gegenüber, legt Hüfttasche und

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