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Mustererkennung

Mustererkennung

Titel: Mustererkennung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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könnte ihr auf
    nicht näher spezifizierte Weise beim Studium
    helfen, wenn du die Zahl kriegst. Er weiß, daß
    du kein Japanisch kannst, behauptet aber, sein
    Englisch reiche für so ein Treffen aus. Puh.
    Ich sage ›Puh‹, weil wir beide, Darryl und
    ich, in der Rolle der Keiko ganz schön ge—
    schuftet haben. Ich glaube, wir haben rüberge—
    bracht, daß er dir unbedingt diese Zahl geben
    soll, wenn er weiter mit ihr zu tun haben
    will. Ich gehe mal davon aus, daß du das zeitlich hinkriegst, obwohl du geschäftlich dort drüben bist, aber laß dieses Handy an. Ich
    rufe dich an, sobald wir Zeit und Ort haben
    und einen Stadtplanausschnitt, den Taki Keiko
    mailen will.
     
    Sie fährt den Laptop runter, klappt ihn zu, stöpselt das Handy aus und packt alles wieder ein. Der Rauch setzt ihr jetzt zu. Sie sieht sich um. Sämtliche Männer im Raum haben zu ihr rüber-gestarrt, gucken jetzt aber schleunigst zu Boden oder weg.
    Sie nimmt einen letzten Schluck süßen Eistee, schwingt sich vom Hocker, gurtet sich die Luggage-Label-Tasche um, nimmt ihre Parco-Tüte und geht hinunter zum Ausgang.
     
    Die Seelenverspätung treibt Schabernack mit der subjektiven Zeit, dehnt oder rafft sie scheinbar willkürlich. Die lange Beauty-Brain -Session in Shibuya, all diese Aktionen, um ihre Fanny so richtig fabulös in Schuß zu bringen, und das anschließende Shopping im Parco haben fünf Stunden gedauert und sich auch so angefühlt, aber die nächsten vier Stunden, in denen sie per Taxi und zu Fuß von einer persönlichen Landmarke zur nächsten gedriftet ist, scheinen jetzt und hier, in der Hello-Kitty!-
    Abteilung von Kiddyland, zu einem einzigen Geballter—japanischer-Kram-Moment zusammenzustürzen.
    Und warum, fragt sie sich, während sie auf Unmengen von Hello-Kitty!-Artikel starrt, lösen japanische Franchise-Marken wie Hello Kitty! keine inneren Erdrutsche aus, keine Panikat-tacken, nicht den Drang, die Ente zu beschwören?
    Keine Ahnung. Sie tun es einfach nicht. So wenig wie Kogepan, dieses naive, beunruhigend gesichtslose Wickelkind, dessen Name, wie sie sich erinnert, »verbrannter Toast« bedeutet. Die Kogepan-Produkte lagern hinter Hello Kitty!; das Unternehmen hat nie ganz so global Fuß fassen können. Es gibt Kogepan-Portemonnaies, -Kühlschrankmagneten, -Filzstifte, -
    Feuerzeuge, -Haarbürsten, -Hefter, -Federmäppchen, -
    Schulranzen, -Uhren, -Figuren. Hinter Kogepan residiert die Marke mit dieser depressiv aussehenden, schlaffen Pandabärin und ihren Jungen. Und nichts von diesem ganzen Zeug – reinstes No-Content-Marketing – löst bei Cayce irgendwelche Symptome aus.
    Aber irgend etwas macht ein komisches, nerviges Geräusch, das selbst das Low-Level-Elektronik-Getöse von Kiddyland übertönt, und schließlich geht ihr auf, daß es ihr Handy ist.
    »Hallo?«
    »Cayce? Parkaboy.« Er klingt ganz anders als auf dem Bildschirm, was immer das heißen mag. Älter? Anders.
    »Wie geht’s?«
    »Bin noch wach«, sagt er.
    »Wie spät ist es bei euch?«
    »Welcher Tag, meinst du wohl«, berichtigt er sie. »Das sage ich lieber nicht. Ich könnte womöglich losheulen. Aber egal. Er will dich in einer Bar in Roppongi treffen. Ich glaube jedenfalls, es ist eine Bar. Er sagt, das Ding hat keinen englischen Namen, einfach nur rote Laternen.«
    »Eine Nomiya.«
    »Dieser Typ hat’s geschafft, daß ich mich fühle, als ob ich dort drüben leben würde, und das ermüdet mich jetzt schon.
    Uns beiden, Darryl und mir, geht’s wie diesen Mars-Rover—Operatoren: virtueller Jetlag. Wir sind auf Tokioter Zeit und versuchen dabei, Erwerbsjobs in zwei verschiedenen hiesigen Zeitzonen nachzugehen. Also, Taki hat Keiko einen Plan geschickt, okay? Und ich hab ihn dir geschickt. Und er sagt, um sechs Uhr dreißig.«
    »Werde ich ihn denn erkennen?«
    »Nach dem, was wir zu Gesicht gekriegt haben, ist er nicht gerade ein Ryuichi Sakamoto. Aber Keiko sieht das nicht so. Sie hat ihm praktisch versprochen, ihm ihr bestes Stück zu offerie-ren, sobald sie wieder zu Hause ist.«
    Sie zuckt zusammen. Dieser Teil ihres Vorhabens ist ihr äu-
    ßerst unbehaglich.
    »Aber wird er mir denn die Zahl geben?«
    »Ich glaube schon. Wenn nicht, dann kein Keiko-Foto.«
    »Habt ihr, ich meine, hat sie ihm das gesagt?« Dieser Teil ge-fällt ihr noch weniger.
    »Nein, natürlich nicht. Es ist eine Liebesgabe, etwas, um ihn hinzuhalten, bis sie ihr bestes Stück wieder nach Tokio verfrachtet hat. Aber du mußt diese Zahl kriegen. Mach ihm

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