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Mustererkennung

Mustererkennung

Titel: Mustererkennung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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hinter seinen Kumpel, der Boones Helm und Parka trägt. Der Fahrer klappt das verspiegelte Visier herunter, erwidert Boones Daumen-nach-oben-Geste, dann sind sie weg.
    »Sie haben ja Blut auf der Stirn«, sagt Boone.
    »Ist nicht meins«, sagt sie, faßt hin, fühlt klebrige Schmiere unter ihren Fingerspitzen. Dann: »Ich glaube, ich habe eine Gehirnerschütterung. Kann sein, daß ich gleich brechen muß.
    Oder in Ohnmacht falle.«
    »Kein Problem. Ich bin ja da.«
    »Wo sind sie hingefahren?« Der mit bizarrem städtischem
    Techno-Zeug umkleidete Metallmast einer Ampel auf der
    anderen Seite des Sträßchens verdoppelt sich, tanzt, wird dann wieder eins.
    »Zurück, gucken, wo die beiden sind.«
    »Sie sehen aus wie wir.«
    »Das war die Intention.«
    »Und wenn die beiden sie erwischen?«
    »Die Intention war, daß sie sich wünschen sollten, sie hätten sie nicht erwischt. Aber nach dem, was Sie mit den Kerlen gemacht haben, dürften sie nicht mehr allzuviel Lust auf weitere Auseinandersetzungen haben.«
    »Boone?«
    »Ja?«
    »Was tun Sie hier?«
    »Beobachten, wie die Sie beobachten.«
    »Wer sind die beiden?«
    »Das weiß ich noch nicht. Ich glaube, es sind Italiener. Haben Sie die Nummer? Ist sie auf dem Laptop?«
    Sie antwortet nicht.

18 HONGO
    Sie hält eine eiskalte Dose Tonic Water aus einem Automaten an die Beule auf ihrer Stirn. Der größte Teil einer Packung Kleenex-Äquivalente ist dafür draufgegangen, ihre Stirn mit Tonic zu reinigen.
    Das Taxi manövriert sich durch eine schmale Gasse. Die Rückfront eines Beton-Apartmenthauses, die von Dutzenden verschiedenartiger Klimaanlagenkästen starrt. Motorräder unter grauen Stoffhüllen.
    Boone Chu sagt etwas auf japanisch, aber nicht zum Fahrer.
    Er spricht in sein Handy-Headset. Er dreht sich um, guckt durch die Heckscheibe. Sagt noch mehr auf japanisch.
    »Haben Sie sie gefunden?« fragt sie.
    »Nein.«
    »Wo ist Taki hingegangen?«
    »Die Straße rauf, ziemlich schnell. Hat sich links gehalten. Er war der Typ mit der Zahl?«
    Sie widersteht dem Drang, in ihre Hand zu gucken, in der sie die Dose hält. Und wenn die Tinte verläuft? »Seit wann sind Sie hier?« In Japan, meint sie.
    »Ich war in Ihrer Maschine. Economy Class.«
    »Warum?«
    »Als wir in Camden Town aus dem Restaurant kamen, ist uns jemand gefolgt.«
    Sie sieht ihn an. »Gefolgt?«
    »Ein junger Bursche, braunes Haar, schwarze Jacke. Ist uns zum Kanal gefolgt. Hat uns von der Schleuse aus beobachtet.
    Mit einer Kamera oder einem kleinen Fernglas. Dann hat er uns zur U-Bahn zurückbegleitet und sich an mich geheftet. In Covent Garden habe ich ihn abgeschüttelt. Er hat’s nicht mehr in den Lift geschafft.«
    Sie muß an den ersten Sherlock Holmes denken, den sie gelesen hat. Ein einbeiniger Laskar.
    »Und daraufhin sind Sie dann mir gefolgt?«
    Er sagt etwas auf japanisch in sein Headset. »Ich hab mir gedacht, es ist vielleicht nicht schlecht, mal etwas genauer zu klären, womit wir’s hier zu tun haben. Von Grund auf. Wir arbeiten für Bigend. Arbeiten die Leute, die uns verfolgen, auch für Bigend? Wenn nicht, für wen dann?«
    »Und?«
    »Keine Ahnung. Ich habe mich gestern abend an den beiden vorbeigepirscht und gehört, wie sie sich auf italienisch unterhalten haben. Das war, als Sie gerade auf dem Weg ins Rotlicht-viertel waren.«
    »Und was haben sie gesagt, die zwei?«
    »Ich kann kein Italienisch.«
    Sie nimmt die Tonic-Dose von der Stirn. »Wohin fahren wir jetzt?«
    »Der Roller folgt uns und sorgt dafür, daß es kein anderer tut. Wenn wir uns da ganz sicher sind, fahren wir zur Wohnung einer Freundin von mir.«
    »Sie haben diese Männer nicht gefunden?«
    »Nein. Der, dem Sie den Kopfstoß verpaßt haben, ist jetzt wahrscheinlich im Krankenhaus und läßt sich die Nase richten.« Er runzelt die Stirn. »Das haben Sie doch nicht im Marketing-Studium gelernt, oder?«
    »Nein.«
    »Die beiden könnten ja auch von Blue Ant sein. Vielleicht haben Sie gerade einem Junior Creative Director das Nasenbein gebrochen.«
    »Wenn Sie einem Junior Creative Director begegnen würden, der Sie auszurauben versucht, würden Sie ihm wahrscheinlich auch das Nasenbein brechen. Aber Italiener, die in einer Tokioter Werbeagentur arbeiten, tragen kein albanisches Pseudo-Prada.«
    Das Taxi ist jetzt auf einer Art Stadtautobahn, die an Wald und alten Mauern vorbeiführt: der Palast. Sie muß an die Pfade denken, die sie sich heute morgen, als sie von ihrem Zimmer herunterguckte, vorzustellen

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