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Mustererkennung

Mustererkennung

Titel: Mustererkennung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Bunnyschen Ordnung der Dinge passieren müsste: Sie reißt mit einem Ruck die Arme nach vorn, gerade weit genug, um das handschuhdünne Leder der Revers zu packen. Und als der zweite Angreifer unwissentlich kooperiert, indem er ihre Arme wieder zurückreißt, während ihre Hände Pradas Revers umkrallen, zieht sie mit aller Kraft und läßt ihre Stirn, so fest sie kann, auf Pradas Nase krachen.
    Sie hat diese Übung nie wirklich ausgeführt, da Bunny keine Nase erübrigen konnte; deshalb ist sie weder auf den eigenen Schmerz vorbereitet noch auf das ungemein intime Geräusch der von ihrer Stirn zermalmten Knorpelmasse.
    Als er abrupt zu Boden sackt, zieht ihr sein Gewicht die Revers aus den Händen, was sie daran erinnert, einen Schritt zurückzutreten, den Angreifer in ihrem Rücken aus der Balance zu bringen, zwischen ihre Füße zu gucken (ein Herrenschuh, schwarz, ebenfalls in dieser grauslich eckigen Form) und, so fest sie kann, mit dem Absatz auf den ungeschützten Spann zu treten, was unmittelbar hinter ihrem linken Ohr einen bemerkenswert schrillen Schrei auslöst.
    Losreißen und abhauen.
    »Und abhauen« war unweigerlich der letzte Punkt einer jeden Bunny-Lektion. Sie versucht es, schmerzhaft schlägt der Laptop gegen ihre Hüfte, als sie losrennt, zum Ende der Gasse und auf die Lichter eines helleren Roppongi zu.
    Doch vor beides schieben sich prompt mit quietschenden
    Bremsen ein silberner Motorroller und sein silbern behelmter Fahrer. Der das verspiegelte Visier hochklappt.
    Es ist Boone Chu.
    Ihr ist, als steckte sie in einer kristallinen Flüssigkeit. Der schiere Adrenalintraum.
    Boone Chus Mund öffnet und schließt sich, aber sie kann
    nichts hören. Der Logik des Traums folgend, rafft sie ihren Rock, schwingt sich hinter ihm auf den Roller und sieht seine Hand etwas tun, das sie gemeinsam vorwärtskatapultiert, die beiden schwarz gekleideten Männer jäh ihrem Blickfeld entreißt und nur das statisch unstimmige Bild zurückläßt, wie der eine auf einem Bein zu hüpfen versucht, während er sich bemüht, den anderen, dem sie den Kopfstoß verpaßt hat, vom Boden hochzuziehen.
    Vor ihr ein R.A.F.-Emblem auf einem Parka-Rücken, als sie
    die Arme um Boone Chus Taille schlingt, um nicht abgeworfen zu werden, und im selben Moment wird ihr klar, daß er der
    Rollerfahrer war, den sie heute morgen vom Starbucks aus
    gesehen hat, und auch der gestern abend in Kabuchiko, und
    jetzt rasen sie zwischen zwei Autoschlangen an der Kreuzung hindurch, und die blankpolierten Wagentüren schimmern wie
    Quallen in einem Neonmeer.
    Raus auf die Kreuzung, ehe die Ampel umspringen kann. Ein
    Linksschwenk, der sie daran erinnert, daß sie sich mit in die Kurve legen muß und daß sie Motorräder und ähnliches noch nie leiden konnte. Dann donnert er eine aufgemotztere Gasse entlang, vorbei an etwas, das Sugarheel Bondage Bar heißt.
    Er reicht ihr einen metallicblauen Helm, mit flammenden
    Augen darauf. Sie schafft es, ihn aufzusetzen, vermag den
    Kinnriemen mit einer Hand nicht zu schließen. Der Helm
    riecht nach Zigaretten.
    Ihre Stirn pocht.
    Er verlangsamt das Tempo ein wenig, biegt links ab, in eine andere Gasse, die zu schmal für Autos ist. Es ist einer dieser surrealen Tokioter Wohnkorridore, gesäumt von etwas, das sie für kleine Häuser hält, und interpunktiert von leuchtenden Verkaufsautomaten. Auf einem davon Billy Prions paralysiertes Grinsen, mit einer Flasche Bikkle.
    Sie hat noch nie einen Roller so schnell durch eine dieser
    Gassen rasen sehen und fragt sich, ob das wohl verboten ist.
    Er hält dort, wo die schmale Gasse eine breitere, autogeeigne-te kreuzt, tritt den Ständer hinunter, schwingt sich vom Roller und nimmt den Helm ab. Zwei japanische Halbwüchsige mit abgebrühtem Blick werfen ihre Zigaretten weg, als er einem von ihnen seinen Helm reicht und seinen Parkareißverschluß öffnet.
    »Was machen Sie denn hier?« fragt Cayce, während sie ab—
    steigt und ihren Rock herunterzieht, in einem Ton, als wäre nichts Besonderes gewesen. Boone nimmt ihr den Helm ab und
    reicht ihn dem zweiten Jungen.
    »Geben Sie ihm ihre Jacke.«
    Cayce guckt die Rickson hinunter, sieht, daß sich das Klebeband über dem Brandloch ablöst. Sie zieht die Jacke aus und streckt sie dem Jungen hin, der gerade den Kinnriemen des
    blauen Helms schließt. Sie bemerkt auf dem Flammenaugende—
    kor einen Finger, dem ein Glied fehlt. Der Junge schlüpft in die Rickson, zieht den Reißverschluß zu und schwingt sich

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