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Mustererkennung

Mustererkennung

Titel: Mustererkennung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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oft, aber sein Apparat beschützt uns. Die Leute haben Angst vor ihm, Sie verstehen?
    Darum sind sie sehr vorsichtig. Ich denke, ist traurig, so zu leben, aber ist nun mal so, wenn man sehr reich ist in dieses Land. Ich wollte, daß die Welt das Werk von meine Schwester sieht, aber die sagen, muß anonym bleiben.« Wieder tritt durch die Unbewegtheit des langen, weißen Gesichts dieses traurige, sanfte Lächeln an die Oberfläche. »Als Sie mir erzählt haben, Ihr Vater ist verschwunden, ich dachte, Sie werden uns nicht verletzen.« Ein besorgter Blick. »Sie war sehr aufgeregt, meine Schwester. Sie hat sich verletzt.«
    »Weil ich gekommen bin?«
    »Natürlich nicht. Sie weiß das nicht. Als wir gesehen Anschlag, in New York.« Doch dabei sieht sie nicht Cayce an, sondern schaut zum Eingang, wo Cayce jetzt zwei junge Männer in dunklen Freizeithosen und schwarzen Lederjacken warten sieht. »Ich muß gehen. Das da sind meine Fahrer. Drau-
    ßen ist Wagen, der Sie zurückbringt in Ihre Hotel.« Stella steht auf. »Ist nicht gut, als Frau abends spät gehen alleine durch Stadt.«
    Also steht Cayce auf und sieht, daß Stella etliche Zentimeter größer ist als sie. »Werde ich Sie wiedersehen?«
    »Natürlich.«
    »Werde ich Ihre Schwester treffen können?«
    »Ja, natürlich.«
    »Wann?«
    »Morgen. Ich werde mich melden. Ich werde schicken Wagen. Kommen Sie.« Sie marschiert voraus, ohne nach der Rechnung zu verlangen, ohne zu bezahlen, aber der hübsche Kellner verbeugt sich tief, als sie an ihm vorbeigehen, und ein alter Mann in weißer Schürze tut das gleiche. Stella beachtet die beiden Lederjacken gar nicht. Sie tritt hinaus auf die Straße.
    »Hier ist Ihr Wagen.« Ein schwarzer Mercedes. Sie nimmt
    Cayces Hand, drückt sie. »Ein großes Vergnügen.«
    »Ja«, sagt Cayce, »danke.«
    »Gute Nacht.«
    Einer der beiden jungen Männer öffnet ihr die Beifahrertür.
    Sie steigt ein. Er macht die Tür zu. Geht um das Heck herum, steigt auf der Fahrerseite ein.
    Sie fahren los, Cayce dreht sich noch einmal um und sieht
    Stella, die ihr zum Abschied nachwinkt.
    Als der schwarze Mercedes an der großen Steinbrücke ist,
    drückt der Fahrer auf einen Knopf am Armaturenbrett, und
    prompt geht das blaue Licht an und blinkt. Er beschleunigt,
    schaltet weich sämtliche Gänge durch, den großen steinernen
    Buckel rauf und wieder runter nach Samoskworetschje.
     
    36 DIE

GRABUNG
    Sie macht die Augen auf. Ein heller Strich teilt die dunkle Zimmerdecke, als würde sich eine Lichtklinge zwischen den Schatten der ockerfarbenen Vorhänge hindurchsäbeln.
    Sie erinnert sich, daß sie sich nach ihrem Treffen mit Stella noch mal das Edit von Maurice und Filmy auf dem iBook angesehen und es auf eine ganz neue Weise erlebt hat, die zu beschreiben oder zu erklären ihr auch jetzt noch vollkommen unmöglich ist.
    Sie schält sich aus dem schweren Bettzeug und zieht eine Vorhanghälfte beiseite. Licht überfällt sie und der Anblick dieses riesigen, absolut scheußlichen Denkmals auf der Insel im Fluß.
    Im Badezimmer, inmitten von all dem Braun, stellt sie die Hähne in der Dusche richtig ein. Kohler-Klone, wie sie automatisch registriert, ohne das Markenzeichen. Wickelt ein Stück Seife aus und betritt die Kabine.
    Zwanzig Minuten später ist sie mit geföhnten Haaren unten und betrachtet mit einem gewissen Unbehagen das Frühstücksbüfett. Platten mit Bergen von verschiedenen geräucherten Fleischsorten, Pyramiden von Dosenfisch, silberne Schüsseln mit rotem Kaviar, Näpfe voll saurer Sahne. Blinis. So was Ähnliches wie Blinis, aber mit süßem Quark gefüllt. Endlich, ganz am äußersten Ende, als sie schon am Verzweifeln ist, erspäht sie Müsli und Corn-flakes und frisches Obst. Große Krüge mit Saft, Kaffee in riesigen vernickelten Isolierkannen zum Pumpen.
    Sie sucht sich einen Einzeltisch. Ißt systematisch, den Blick auf dem Teller. Nebenan wird Französisch gesprochen, leicht wie Vogelgezwitscher im Vergleich zur dunklen Schwere des Russischen.
    Sie hat das Gefühl, daß etwas Gewaltiges geschehen ist, gera-de geschieht, etwas, das sie nicht genau bestimmen kann. Sie weiß, es hat mit ihrer Begegnung mit Stella zu tun und mit der Geschichte, die sie ihr erzählt hat, der Geschichte von Stella und ihrer Schwester, aber irgendwie kann sie das alles nicht mehr mit ihrem eigenen Leben zusammenbringen. Besser gesagt: sie lebt jetzt in dieser Geschichte und hat ihr eigenes Leben irgendwo zurückgelassen, gleichsam in einem

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