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Mustererkennung

Mustererkennung

Titel: Mustererkennung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Zimmer, aus dem sie fortgegangen ist. Gar nicht weit weg, aber dennoch fort.
    Als sie wieder oben ist, ruft sie Parkaboy in Chicago an. »Ich will ganz offen sein«, hört sie ihn nach dem letzten, ungleichmäßigen Klingelton sagen. »Ich bin ein Weilchen weg. Aber es ist kein Geld im Haus, keine Drogen, und der Pitbull ist positiv getestet. Zweimal.«
    Sie hinterläßt keine Nachricht.
    Heißt das, er ist schon unterwegs?
    Sie könnte Sylvie Jeppson anrufen und nachfragen, aber der Gedanke, sich bei Blue Ant zu melden, reizt sie im Moment nicht allzusehr.
    Stella vertraut ihr. Ganz gleich, in was für ein trauriges, ge-fährliches, zutiefst russisches Szenario Stella und ihre Zwillings-schwester auch verwickelt sein mögen, Cayce hat hinter der Unbewegtheit dieses weißen Gesichts etwas aufsteigen sehen, das sie unter gar keinen Umständen verraten möchte.
    Parkaboy würde das verstehen. Aber wer sonst? Boone nicht, wie sie inzwischen weiß. Bigend wahrscheinlich schon, aber auf seine typische Art, wie er anscheinend so ziemlich jedes Gefühl verstehen kann, ohne es je empfunden zu haben.
    Sie öffnet eine Flasche russisches Mineralwasser.
    Dorotea war von einem Russen aus Zypern angeheuert worden, demselben, der als Besitzer von armaz.ru registriert ist,
    einer Domain, die, wie Boone sagt, etwas mit der russischen Ölindustrie zu tun hat.
    Waren das Russen, fragt sich Cayce, die irgendwie an die Aufzeichnungen ihrer Sitzungen bei Katherine McNally range-kommen sind? Nicht unbedingt, befindet sie, denn die Männer, die Dorotea in Tokio benutzt hatte, waren Italiener. Vielleicht ist das Ganze so eine Art Multikulti-Komplott.
    Aber dann fällt ihr ein, daß Baranov auch Russe ist, oder zumindest Anglorusse. Obwohl der Typ nicht so richtig in die Verbindungskette einrasten will, die sie hier blind zusammen-zufummeln versucht. Ebensowenig wie Damien, der da draußen in der Pampa sein punkiges Archäologieprojekt dreht, obwohl der Vater seiner Freundin anscheinend auch ein Mafiazaren—thronanwärter oder so was ist.
    Man muß stets den Zufall mit einkalkulieren, hatte Win immer gesagt. Wenn man das nicht tut, leidet man vermutlich schon an Apophänie, weil man dann jeden Furz als Teil einer weltweiten Verschwörung wahrnimmt. Man freut sich, wie schön alles zusammenpaßt, hat er ihr erklärt, und dabei läuft man ernsthaft Gefahr, den echten Faden zu verlieren, der jedesmal wieder längst nicht so schön und perfekt sei. Der aber, wie sie wußte, für ihn selbstverständlich da war.
    Rußland. Etwas anderes …
    Sie erinnert sich, mitten im Trinken, verschluckt sich und muß husten.
    Ihr altes Posting, dieses eine, auf das sie gestoßen ist, als sie auf der F:F:F-CD-ROM Rußland gesucht hat.
    Sie schiebt die CD-ROM ein. Wiederholt die Suche. Könnte es nicht zum Beispiel ein russischer Mafiaboß mit einem Hang zu künstlerischer Selbstentfaltung sein, der ein bislang unentdecktes Talent sein eigen nennt und das nötige Kleingeld hat, um die Filme herzustellen und zu verbreiten?
    Januar. Damals war sie noch bei Katherine in Therapie. Und ahnte nichts davon, daß sie eines Tages für Blue Ant arbeiten oder nach London kommen oder es mit Bigend zu tun kriegen sollte.
    Mafia.
    Das nötige Kleingeld.
    Sie wischt sich mit dem Handrücken den Mund ab.
    Kein Hang zu künstlerischer Selbstentfaltung: verwaiste Nichten.
    Wenn selbst so einer wie Baranov noch einen Freund hatte, jemanden in Langley oder Fall Church, der ihm einen Gefallen schuldete und willens und in der Lage war, die stellanor-Adresse aus dem Netz oder sonstwoher zu fischen, welche Hebel konnte dann erst ein sehr reicher, sehr bedeutender Russe in seinem Land ziehen? Oder vielleicht sogar in ihrem eigenen?
    Und wofür konnte »sehr reich, sehr bedeutend« wohl ein Euphemismus sein, wenn es um Russen ging? Sie spürt, wie sich der Knoten der Anspannung zwischen ihren Schultern immer fester zusammenzurrt.
    Da sich die online-Version der Moskauer Gelben Seiten wei—gert, ein Pilates-Studio auszuwerfen, zieht sie ihre Sportsachen an und geht eine Treppe höher in den hoteleigenen Fitneß-
    raum. Gähnende Leere, abgesehen von einem älteren, überge—wichtigen Russen, der sich mit geradezu religiöser Duldermiene auf einem Hometrainer abstrampelt.
    Die Maschinen sind zwar neu, aber offenbar einheimische Produkte, die Damien bestimmt sofort dokumentieren wollen würde. In einer Ecke findet sie eine Art Boxmatte. Sie versucht sich an die Übungen zu erinnern, die

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