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Mutiert

Mutiert

Titel: Mutiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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war. Sie hatte sich freiwillig nach São Sebastião gemeldet, da sie nicht vorhatte, als Assistenzärztin in irgendeinem Krankenhaus in Sao Paulo zu versauern, sondern einen aktiven Beitrag zum Ausbau des Gesundheitswesens in Brasilien leisten wollte. Nun saß sie seit zwei Monaten im Hospital Santa Catarina fest und der einzige Mensch, mit dem sie reden konnte, war Pater Innocento, der unweit der Stadt eine kleine Mission leitete, in der er sich zusammen mit zwei Schwestern um behinderte Menschen kümmerte. Von Zeit zu Zeit besuchte er das Krankenhaus, doch das war nur ein schwacher Trost für Lila.
    Sie wandte sich um und ging ohne ein weiteres Wort den Flur hinab. Auf dem Stuhl neben dem Empfangspult saß ein Offizier der Militärpolizei in Uniform. Als Lila in ihrem weißen Arztkittel an ihm vorüberging, erhob sich der Mann. » Wie geht es ihr?«, fragte er leise.
    Lila blieb stehen und wandte sich um. » Sie meinen die Frau mit dem angeblichen Schlangenbiss?«
    Der Polizeioffizier nickte.
    » Doktor Alonso kümmert sich um sie.«
    » Ich befürchte, dass sie nicht überleben wird«, fuhr der Offizier fort. » Sie ist sehr schwach. Das Fieber lässt sich nicht senken. Ich habe alles versucht.«
    » Sind Sie Arzt?«
    » Ich bin Korporal und Sanitäter auf einem Patrouillenboot der Militärpolizei. Wir fanden die Frau in einem Langboot an der Mündung zum Rio Jatapu. Ihre Begleiter waren bereits tot.«
    » Haben Sie den Schlangenbiss diagnostiziert?«
    Der Cabo zuckte die Schultern. » Ich nehme an, dass es ein Schlangenbiss ist, aber ich bin mir nicht sicher. Einige der Symptome sprechen dafür, andererseits habe ich für ihre Krämpfe keine Erklärung. Meistens werden die Menschen schwach, fiebrig und matt. Sie hatte aber krampfartige Schmerzen, die ich noch nie erlebt habe. Außerdem hatte ihr Blut eine eigenartige Farbe.«
    » Sie hat geblutet?«
    » Aus dem Mund«, bestätigte der Cabo. » Ich dachte mir, sie hat sich selbst gebissen.«
    » Wie ist Ihr Name, Senhor?«
    » Nennen Sie mich Cabo, das tun alle. Meinen richtigen Namen habe ich fast schon vergessen.«
    » Also gut, Cabo, gehen Sie sofort zur Schwester«, sagte Lila besorgt. » Sie müssen duschen und sich desinfizieren.«
    Der Cabo schaute überrascht.
    » Wir sind hier im Dschungel«, erklärte Lila. » Wir müssen hier mit allem rechnen. Sobald Sie sich geduscht haben, möchte ich Sie untersuchen.«
    Eine Schwester kam den Gang entlang.
    » Schwester Marita!«, rief Lila die Frau zu sich. » Kommen Sie mit, Sie müssen mir helfen!«

4
    Brás am Rio Jatapu, Amazonasgebiet
    Die belgische Expeditionsgesellschaft war gegen Morgen, als die Sonne den Nebel vertrieben hatte, von Brás aufgebrochen, um dem verschlungenen Flusslauf des Rio Jatapu nach Süden zu folgen.
    Die drei belgischen Naturforscher wurden von erfahrenen Ribeirinhos begleitet. Ureinwohnern, die schon seit Generationen am Fluss lebten und jeden Abschnitt dieses Flusslaufes wie ihre Westentasche kannten. Am Ende der Trockenzeit waren die ufernahen Schwemmgebiete an den Flüssen, Várzeas genannt, nahezu leergelaufen. Erst wenn die großen Ströme aus dem Westen im Oktober wieder Unmengen an Wasser dem mächtigen Amazonas zuführten, würde aus großen Teilen des Regenwaldes wieder ein einzigartiger großer See werden und das Leben in die Pflanzen zurückströmen. Und diese Zeit stand unmittelbar bevor, denn die ersten heftigen Stürme kündeten bereits vom Beginn der Regenzeit.
    Die drei Langboote folgten den Schleifen des Rio Jatapu. Das nächste Ziel der Reise, São Sebastião, lag zwar nur knapp siebzig Kilometer Luftlinie entfernt, doch der Fluss schlängelte sich derart durch das Land, dass tatsächlich beinahe einhundertzwanzig Kilometer auf dem Wasser zurückzulegen waren.
    Nur einmal verharrte die kleine Expedition auf dem strömungsarmen Wasserlauf, als ein paar Botos, graue Süßwasserdelfine, ihren Weg kreuzten. Beinahe zweihundert Fotos schossen die Belgier, ehe die Botos offenbar keine Lust mehr auf ein weiteres Fotoshooting verspürten und in die dunklen Fluten abtauchten. Einer der Ruderer hatte die Gelegenheit zum Fischen genutzt und zur Freude aller Expeditionsteilnehmer einen großen Tucunaré gefangen. Der wohlschmeckende Fisch wog beinahe zehn Kilo und würde den Speiseplan am heutigen Abend angenehm bereichern.
    Sie setzten ihre Fahrt fort und folgten einer weiteren Schleife des Flusses, als plötzlich nach leichten Stromschnellen ein paar Hütten am bewaldeten

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