Mutiert
beinahe eine Woche dort draußen, wir müssen ihnen schnell zu Hilfe kommen, wir wissen nicht, in welchen Schwierigkeiten sie stecken.«
Der Coronel hob beschwichtigend die Hände. » Hören Sie, Herr Professor«, beruhigte er den Wissenschaftler. » Das Gebiet dort draußen ist ein jahrtausendealter Urwald. Dort gibt es keine Wege und Straßen. Wir haben nur zwei Optionen. Aus der Luft oder über die Wasserwege. Mit Bodentruppen kann es Jahre dauern, bis wir das Gebiet durchsucht haben.«
» Aber es muss doch Spuren geben«, widersprach Professor Sander. » Sie sind doch nicht einfach vom Erdboden verschluckt worden.«
» Der Capitão wird selbstverständlich einen Suchtrupp im Lager absetzen, mit dem er ständig in Kontakt steht«, versicherte der Coronel. » Wir haben Suchhunde und Spurenleser dabei, und wenn es irgendeinen Hinweis auf unseren Trupp gibt, dann wird ihn der Capitão mit seinen Männern finden.«
» Wir haben schon viel zu lange gewartet«, sagte der Professor entmutigt, ehe er wieder auf seinem Stuhl Platz nahm.
Coronel Santoro setzte sich neben ihn. » Wie kommen Sie mit dem Serum voran?«, fragte er.
» Doktor Braga wird es Ihnen bereits berichtet haben«, antwortete der Professor nach einem Augenblick des Schweigens. » Das Serum wirkt nur im Anfangsstadium und verhindert die schnelle Ausbreitung des Virus in den Zellen. Aber für die meisten Erkrankten erfolgt die Behandlung zu spät. Das Mittel ist nur in den ersten drei Tagen nach der Infektion wirksam, die meisten Patienten kommen hier aber erst nach Tagen an. Wir müssen die Behandlung deshalb vor Ort durchführen. Dazu benötigen wir Transportmittel und weiteres Personal. Es bringt nicht viel, wenn wir weiterhin die Patienten hierherbringen und einer tagelangen Überfahrt aussetzen.«
Der Coronel fuhr sich über seine grauen Haare. » Ich verstehe. Aber das Gesundheitsministerium lehnt eine Dezentralisierung ab. Im Ministerium befürchten sie, dass wir den Überblick verlieren und der Cordon sanitaire wirkungslos wird, wenn es keine zentrale Erfassung und Überwachung der Erkrankten mehr gibt.«
Professor Sander schüttelte verständnislos den Kopf. » Wir haben ein Medikament, das nachgewiesenermaßen im Anfangsstadium verhindert, dass sich das Virus im Körper eines Infizierten ausbreitet, und wir können es nicht wirkungsvoll einsetzen, weil Ihre Regierung befürchtet, dass wir den Überblick verlieren und Erkrankte dieses Gebiet unkontrolliert verlassen könnten. Ich sage es ehrlich, ich verstehe das nicht. Wir opfern Menschenleben, weil Ihre Regierung Angst hat.«
Coronel Santoro rümpfte die Nase. » Das Gesundheitsministerium trägt die Verantwortung für die Gesundheitsvorsorge im ganzen Land. Sie müssen verstehen, dass man in Brasilia noch immer die Ausbreitung der Krankheit befürchtet. Und solange es keine absolut wirksamen Medikamente gibt, ist in den Augen des Ministers die Abschottung des Gebietes die beste Möglichkeit, einer landesweiten Pandemie vorzubeugen. Wir haben einfach nicht die personellen und logistischen Möglichkeiten, den Cordon sanitaire aufrechtzuerhalten und zu überwachen und gleichzeitig die Erkrankten dezentral zu versorgen.«
» Sie wissen, was das bedeutet?«
» Mir sind leider die Hände gebunden. Ich habe meine Order.«
Professor Sander senkte den Blick. » Ich verstehe.«
Coronel Santoro räusperte sich. » Vielleicht gäbe es die Möglichkeit, dass Sie selbst im Ministerium vorsprechen. Ich erhalte nur Anweisungen und bin daran gebunden.«
Professor Sander kratzte sich am Kinn. » Wenn es nicht anders geht, wann können wir aufbrechen?«
» Ich werde veranlassen, dass Sie morgen mit einem Jet abgeholt werden.«
Professor Sander erhob sich und reichte dem Coronel die Hand. » Danke«, sagte er und verließ den Raum.
Microbiological and Biomedical Laboratories, CDC , Atlanta
Das Team um Professor Joanna Kim bestand aus Mikrobiologen, Molekularbiologen und Genetikern. Alle arbeiteten fieberhaft an der Entschlüsselung des Virusgenoms. Erste Ergebnisse lagen bereits vor, nachdem Teilbereiche des Genoms vermehrt werden konnten. Dreißig-Stunden-Schichten mit kurzen Unterbrechungen und Ruhephasen waren an der Tagesordnung. Das lineare RNA -Genom bestand aus neun Kilobasenpaaren, und sie verfügten über zwei vollständige Chromosomensätze. Der Polypurintrakt, eine für Retroviren typische RNA -Sequenz, die für die Aufnahme der DNA -Synthese verantwortlich war, bestand aus organischen
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