Mutiert
Klonschaf aus dem Roslin-Institut in Schottland, war längst gestorben, und kein ernstzunehmender Wissenschaftler hatte noch Interesse an der In-vitro-Geburt eines künstlich geschaffenen Wesens. Die Molekularbiologie war zu einem wichtigen Zweig der genetischen Forschung herangereift, und die Erfolge der letzten Jahre auf dem medizinischen Sektor kamen der gesamten Menschheit zugute.
Joanna Kim überflog noch einmal die Darstellungsdiagramme auf dem Bildschirm, ehe sie die Systeme abschaltete und sich zur Schleuse begab, wo sie ihren Schutzanzug ablegte. Mit der erschreckenden Erkenntnis, dass das Jatapu-Virus möglicherweise nicht aus dem brasilianischen Urwald, sondern aus einem Labor stammen könnte, zog sie sich in ihr Büro zurück. Sie ließ sich in ihren Stuhl fallen, legte die Füße auf den Tisch und faltete die Hände in ihrem Schoß. Eine Weile starrte sie sinnierend an die weiß getünchte Decke. Ein künstlich erzeugtes Virus mit einer absolut tödlichen Wirkung. Wer sollte Interesse daran haben, und wie kam es ausgerechnet in die Gegend am Amazonas? So sehr sie sich auch den Kopf zermarterte, sie kam immer zum gleichen Schluss: Nur eine Institution konnte ein Interesse daran haben, einen solch gefährlichen Verbündeten in seinen Reihen zu wissen. Eine Institution, die schon oft die Wissenschaft bemüht hatte, wenn es darum ging, andere Menschen besonders einfallsreich und effektiv ins Jenseits zu befördern. Und genau diese Institution hielt sich dort auf, wo das Virus aufgetreten war. Professor Joanna Kim schaute auf ihre Uhr. Im brasilianischen Regenwald herrschte tiefe Nacht. Sie würde noch ein paar Stunden warten müssen, bevor sie sich mit Anne oder Michael Sander in Verbindung setzen konnte.
Av. Rio Marin, Manaus, Hauptstadt des Bundesstaates Amazonas
Sieben Mal hatte Paco de la Pace bei Luela angerufen, doch niemand meldete sich. Seit zwei Tagen hatte er keinen Kontakt zum Camp mehr, und sein amerikanischer Kontaktmann schien ebenfalls wie vom Erdboden verschluckt. In der letzten Meldung, die er aus dem Camp am Rio Jatapu erhielt, sprach Garamon davon, dass die Gefangenen entkommen waren und sich des Patrouillenbootes bemächtigt hätten. Doch insgesamt sei die Lage unter Kontrolle. Hatte sich Garamon getäuscht? Was war da aus dem Ruder gelaufen?
Paco de la Pace war ein vorsichtiger Mensch. Es gefiel ihm nicht, wenn er nicht wusste, was bei seinen Geschäften vor sich ging. Der Ertrag eines ganzen Jahres stand auf dem Spiel, und alles hatte damit begonnen, dass das erste Flugzeug, das ihm sein amerikanischer Geschäftspartner versprochen hatte, niemals auf dem Flugfeld am Rio Jatapu eingetroffen war. Und dann kam auch noch die Sache mit dem Virus dazwischen, das ihm und seinem Kontaktmann der Bezirksregierung komplett die Kontrolle entzog. Das Militär hatte nun die Hoheit am Fluss, und weder Luela noch seine Hintermänner konnten daran etwas ändern, dass es dort innerhalb weniger Tage von Militär nur so wimmelte.
Nervös blickte er aus dem Fenster, ehe er erneut Luelas Nummer wählte. Die Koffer lagen gepackt auf seinem Bett. Daneben lagen das Flugticket und ein gefälschter chilenischer Pass. Noch diesen einen Versuch, sagte er sich, und dann würde er von hier verschwinden. Der Flug war gebucht, und in drei Stunden würde ihn ein Jet der Varig Airlines in den Süden fliegen. Nur erst einmal weg von hier, Gras über die Sache wachsen lassen. Auf seinem Konto war genug Geld, um die nächsten Jahre in Luxus überleben zu können.
Im Rundfunk war gemeldet worden, dass sich die Zahl der Infektionen im Amazonasgebiet verringert hatte und ein neues Medikament zum Einsatz kam, das vermochte, den Ausbruch der Krankheit einzudämmen. In zwei bis drei Wochen würde wieder Normalität herrschen und der Cordon sanitaire rund um die betroffene Region könnte aufgehoben werden. Paco wählte und lauschte gespannt auf das Knacken in dem kleinen Lautsprecher. Es klingelte, Paco klopfte nervös mit den Fingern gegen das Fensterbrett.
» Ja?«, erklang nach mehrmaligem Klingeln Luelas Stimme im Lautsprecher.
» Verdammt, warum melden Sie sich nicht!«, fluchte Paco. » Ich habe bestimmt schon zehn Mal bei Ihnen angerufen.«
» Sie sind wohl verrückt geworden, wissen Sie, wie spät es ist? Sie sollen mich nicht kontaktieren und vor allem nicht jetzt.«
» Hören Sie, ich habe keine Verbindung mehr zu meinen Männern«, fuhr ihm Paco in die Parade. » Ich muss wissen, was da los ist.«
» Haben
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