Mutiert
Guanine, die Anordnung der Cytosine, der Thymine, alles logisch. Die Anzahl der Ribozyten ist in beiden Strängen identisch, aber diese speziellen Peptidverbindungen müssen einen Zweck erfüllen.«
Professor Joanna Kim legte das Computerdiagramm wieder auf den Schreibtisch und fuhr sich über die Stirn. » Das können nur Marker sein«, murmelte sie.
» Marker in der freien Natur?«
» Wenn wir im Labor in Chicago an DNA -Strängen herumgeschnipselt haben, dann haben wir solche Verbindungen als Marker eingesetzt, damit wir die bearbeiteten Sequenzen von den natürlichen unterscheiden konnten. Quasi wie ein Lesezeichen in einem Buch. Wir müssen das Ergebnis verifizieren. Das Labor soll noch weitere Tests durchführen. Vielleicht ist uns da etwas durcheinandergeraten.«
» Das ist ausgeschlossen«, widersprach die Assistentin.
Joanna überlegte, schließlich fasste sie die Assistentin an der Schulter. » Kommen Sie!«, sagte sie zu ihr.
» Wohin gehen wir?«
» Ins Labor, ich will das mit eigenen Augen sehen«, entgegnete Joanna Kim entschlossen.
» Es ist vielleicht nur eine harmlose Mutation. Das Jatapu-Virus entspricht keinem bislang bekannten Typ. Könnte es diese Sequenzen in sich tragen, weil es eben doch einfach nur eine Laune der Natur ist?«
Joanna Kim schüttelte vehement den Kopf. » Wie groß ist die Chance, eins zu einer Billion, eins zu einer Billiarde? Wir sind Wissenschaftler und gehören nicht zu einem Rateteam. Ich will wissen, was hinter diesen Peptidverbindungen steckt. Diese Wiederholungsfrequenz ist auffällig und entspricht nicht dem Standard, deswegen werden wir es genauer unter die Lupe nehmen. Und jetzt kommen Sie!«
Die Assistentin kniff die Lippen zusammen. » Wenn dies Marker wären, dann …«
» … dann ist das Jatapu-Virus vielleicht überhaupt kein natürliches Virus, sondern wurde künstlich in einem Labor erzeugt«, vervollständigte Joanna Kim den Satz ihrer Assistentin.
Diese schüttelte zweifelnd den Kopf. » Welchen Sinn sollte es machen, ein tödliches Virus zu entwickeln und es dann im brasilianischen Regenwald auszusetzen?«
Joanna Kim stemmte die Hände in die Hüften. » Schon mal was von biologischer Kriegsführung gehört«, antwortete sie lakonisch. » Als damals Ebola auftauchte, waren die Jungs von der USAMRIID als Erste vor Ort.«
» Im brasilianischen Regenwald! Ich wüsste nicht, dass wir mit Brasilien im Krieg sind.«
» Jetzt kommen Sie schon, und kein Wort zu irgendjemand, bevor wir nicht mehr wissen, ist das klar!«
Die Assistentin verzog ihre Mundwinkel. » Alles klar, Frau Professor.«
Cuiabá, Bundesstaat Mato Grosso
» Entlassen!«, schnauzte Zagallo und schlug mit der Faust auf den Schreibtisch.
» Ja, der Ermittlungsrichter sieht keine Veranlassung, Untersuchungshaft anzuordnen. Sie haben keinen schlüssigen Beweis für die Verbindungen zwischen Senhor Anjo und den Leichenfunden auf den Blumenfeldern. Ihr Informant Craigo hat ihn nicht hundertprozentig wiedererkannt, der inhaftierte Bruder Tizio Duarte Faria sitzt in einer Irrenanstalt, und das Einzige, was Sie bislang schlüssig beweisen können, ist ein Verstoß gegen Arzneimittelverordnungen.«
» Die Schießerei bei der Festnahme?«, wandte Zagallo ein.
» Er hat über seinen Anwalt ausgesagt, dass er lediglich die Gruppe begleitete, weil er um Hilfe für den kranken Jungen gebeten wurde. Er wusste nicht, dass es sich um Verbrecher handelte, und ist vollkommen unschuldig in die Sache hineingeschlittert.«
» Und das hat man ihm geglaubt?«
» Zagallo«, holte der Polizeichef aus. » Senhor Anjo hat den besten Anwalt der Stadt. Er hat Ihren Bericht in alle Einzelteile zerlegt. Kein Stein blieb auf dem anderen. Am Ende legte er sogar Erklärungen von Patienten vor, die unheilbar erkrankt waren und von Senhor Anjo geheilt wurden. Ich bin nicht dafür verantwortlich, aber der Ermittlungsrichter sieht die Zahlung einer Kaution von hunderttausend Real als angemessen für sein Vergehen gegen die Berufsethik und die Arzneimittelverordnung an. Der Anwalt hat das Geld bereits hinterlegt. Senhor Anjo wird morgen um zehn Uhr entlassen.«
Der Polizeichef wandte sich zum Gehen und wäre beinahe mit Tenente Falcáo zusammengestoßen, als er die Tür öffnete.
» Hallo Falcáo«, sagte der Polizeipräsident. » Nicht so stürmisch.«
Falcáo schlüpfte am Polizeichef vorbei und lächelte freundlich. Nachdem der Präsident das Büro verlassen hatte, ließ sich Zagallo mit einem lauten Seufzer
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