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Mutproben

Mutproben

Titel: Mutproben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ole von Beust
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CDU 30, womit ich 5 Prozent zum Ergebnis von 1993 zulegen konnte. Und Voscherau musste abtreten. Anschließend war er wohl etwas beleidigt – und ich fürchte, dass er es bis heute ist –, weil ihn die SPD nicht auf Knien bat zu bleiben. Er hatte sich selbst als unersetzlich empfunden, dabei aber unterschätzt, dass man auch in der SPD seine etwas affektierte Art mittlerweile nicht mehr schätzte.
    Dann kam Ortwin Runde und mit ihm auch meine Chance. Kurz nachdem Voscherau abgetreten war, wurde eine Meinungsumfrage gemacht: »Wenn Sie direkt wählen könnten, wer sollte Bürgermeister werden?« Die Umfrage fiel in die Zeit der Koalitionsverhandlungen zwischen den Grünen und der SPD, und wenn ich mich recht entsinne, lag ich vorne. Runde kannte kaum jemand, ich war im Wahlkampf sehr präsent
gewesen und mir schmeichelte das enorm. Ich hatte schon im Wahlkampf Blut geleckt und dachte mir nun: »Verflucht noch mal, irgendwie muss es doch eine Chance geben.« Trotzdem war mir klar, dass wir als CDU in Hamburg die Wahlen kaum gewinnen konnten.
    In den nächsten vier Jahren unter Ortwin Runde kam das Thema Innere Sicherheit stark auf. Obwohl Hamburg als Hauptstadt des Verbrechens galt, legte Runde kein besonderes Augenmerk darauf. Ein von Jugendlichen spektakulär verübter Mordfall an einem Kioskbesitzer bestimmte das Medienbild. Die offene Drogenszene in Hamburg explodierte förmlich. An lauen Sommerabenden tummelten sich Hunderte Junkies am Hauptbahnhof; bis in die Lange Reihe hinein wandelten sie umher. Runde hatte Hartmut Wrocklage zum Senator für Inneres ernannt, den wir damals aus der Opposition heraus massiv attackierten. Wrocklage selbst war ein sehr angenehmer Mann, außerordentlich gebildet und als Kultursenator wäre er vermutlich eine gute Wahl gewesen. Doch als Innensenator war er schwach und ohne nötige Durchsetzungskraft. Das Thema lag ihm nicht. Er hatte einfach keinen Zugang dazu und versuchte die Probleme zu verharmlosen, was aber zu noch größerem Aufschrei führte. 2001 spitzte sich das Thema dann massiv zu, der Druck auf Wrocklage war so immens, dass dieser – nach eigenen Worten vor allem aufgrund harscher Medienkritik – letztlich zurück-und Olaf Scholz an seine Stelle trat. Doch für die SPD kam dieser Schritt zu spät.

Politikerjahre II – Oder warum ich mit Ronald Schill koalierte
    Eine andere Partei hatte sich des Themas Innere Sicherheit angenommen und verbuchte immensen Zuspruch: die »Partei Rechtsstaatlicher Offensive«. Ronald Schill hatte diese Partei im Jahr 2000 gegründet, zusammen mit einigen Hamburger Bürgern, langgedienten CDU-Mitgliedern, einigen SPD-Leuten und ehemaligen Aktiven der STATT-Partei. Schill selbst war zuvor als »Richter Gnadenlos« in den Boulevardmedien bekannt geworden. Seine harten Urteile spalteten die Öffentlichkeit, und Schill, damals noch Amtsrichter in Hamburg, profilierte sich als eitler Selbstdarsteller. Seine Forderungen nach härteren Bestrafungen für Wiederholungstäter fielen in Hamburg zu jener Zeit auf fruchtbaren Boden. Kurz: Er bot der Presse genügend Stoff, um ihn als Person interessant zu finden.
    Anfang der Neunziger hatte ich Ronald Schill bereits kennengelernt. Mit anderen Anwälten betrieb ich damals eine Bürogemeinschaft und Schill arbeitete aushilfsweise für einen der Kollegen. Wir sahen uns eigentlich jeden Tag, etwa ein halbes Jahr lang. Er war ein charmanter und lustiger Geselle, ein bisschen leichtlebig, aber nicht unsympathisch. Er war ein gutaussehender Mann mit Schlag bei den Frauen. Wir haben uns in dieser Zeit persönlich kennengelernt, saßen auf dem gleichen Flur und unterhielten uns oft. Ich bemerkte damals, dass ihm Gesetz und Ordnung am Herzen lagen. Er war kein Spießer und hatte auch keinerlei Ressentiments gegen Ausländer.
Er kam mir sogar ziemlich liberal vor. Aber was Recht und Ordnung anging, da war er schon damals »auf Zinne«.
    Nachdem er die Anwaltskanzlei verlassen hatte, verlor sich unser Kontakt. Ich nahm Schill erst wieder wahr, als er in den Medien als Richter auftauchte und seine Forderungen nach einem härteren Durchgreifen der Rechtsprechung postulierte. Als er dann seine Partei gründete und sich das Thema Innere Sicherheit und stärkeres Durchgreifen auf die Fahnen schrieb und die Bürgerschaftswahl vor der Tür stand, da beschlossen wir in der CDU: Alle Härte gegen Schill! Wir sahen die Gefahr, dass er uns mit seiner Partei am konservativen Rand überrennen könnte, da seine Schwerpunkte

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