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Mutproben

Mutproben

Titel: Mutproben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ole von Beust
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wieder nur getratscht.

Teil 3
    [REF 3]
    »Wir müssen für die Freiheit planen und nicht für die Sicherheit, wenn auch vielleicht aus keinem anderen Grund als dem, dass nur die Freiheit die Sicherheit sichern kann.«

    Karl Popper
    »Die offene Gesellschaft und ihre Feinde«

Mut und Proben I – Oder das Problem der Integration
    Plötzlich war sie da, die große Aufregung. Alle hatten eine Meinung, manche vertraten sogar gleich mehrere. Doch einen vernünftigen Beitrag zur Debatte habe ich kaum gehört. Zu sehr waren die Darsteller darum bemüht, es wieder einmal allen recht zu machen. Wir Politiker redeten unseren Wählern erneut nach dem Munde.
    Die Ursache war diesmal Thilo Sarrazin. Mit seinem Buch Deutschland schafft sich ab erklomm er in null Komma nichts die Bestsellerlisten und um das Thema Integration brach ein regelrechter Rausch aus. Sarrazin hatte aus meiner Sicht ziemlich verantwortungslos dahergeredet. Der Unsinn über die Genetik und die Gene von Muslimen im Vergleich zu denen von uns Europäern war ohnehin nicht ernst zu nehmen. Tatsächlich war die gesamte Zielrichtung des Buches unredlich. Sarrazin hat gewisse Phänomene überspitzt und daraus irrige Zusammenhänge hergestellt, wenn er etwa die schulischen Leistungen von türkischstämmigen Kindern oder das Verhalten von jungen Erwachsenen bei Rohheitsdelikten auflistet. Doch was bedeutet das in der Praxis: Stehen wir vor der Frage, in nächster Zeit drei Millionen Türken nach Deutschland zu holen? Natürlich nicht. Es geht um Menschen, die schon seit Generationen hier leben und vermutlich auch nicht wieder zurückziehen werden. Das Aufzählen und Breittreten von Integrationsproblemen, unabhängig von deren Ursache, löst keine einzige Schwierigkeit, es schafft nur neue und schürt
Emotionen. Und auch Sarrazins Methodik ist fragwürdig. Ebenso hätte man sich Deutsche oder deutschstämmige Menschen herauspicken können, bei denen keine optimalen Familienverhältnisse vorherrschen, wo der Vater Alkoholiker ist, die Mutter schlägt und die Kinder kurz vor der Verwahrlosung stehen. Auch in diesem Milieu hätte man genügend Beispiele und Zahlen gefunden, die pauschale Rückschlüsse zulassen auf den Deutschen an sich.

    Hier hat die Politik versagt. Die Parteien hätten viel stärker dagegenhalten müssen. Abgesehen von den Grünen hat es kaum eine explizite Gegenstimme gegeben. Man hätte Sarrazin klar als Brandstifter diskreditieren sollen, als einen, der Dinge zusammenführt, die in ihrer Zusammenballung entstellend sind. Und selbst wenn er Recht hätte mit seinen Thesen – wie er vermutlich nach wie vor meint –, so hat er doch keine Antworten mitgeliefert auf die Probleme, die er in seinem Buch benennt. Entweder hätte also aus der Politik eine klarere Ablehnung stattfinden müssen oder aber eine intensive Beschäftigung mit den Thesen und Inhalten. Doch die Kritiken gegen sein Buch waren meist butterweich, nach der Lesart: Er hat ja in einigen Punkten Recht, er greift das auf, was viele Menschen hier fühlen, und es ist gut, dass das mal thematisiert wird, auch wenn wir es vielleicht nicht ganz so sehen. Diese Haltung war nicht nur falsch, sie war gefährlich! Immerhin ist Sarrazin ja kein Belletrist oder Dichter. Als solcher dürfte er sich wohl auf die Freiheit der Kunst berufen. Aber Sarrazin ist nun einmal Politiker und behauptet, ein Sachbuch geschrieben zu haben.

    Die Politik war hier zu ängstlich, sie hat hier Volkes Stimme vermutet und ist vor dieser eingeknickt. Politische Führung aber muss der vermuteten Volksmeinung nicht folgen. Es gibt genügend Beispiele, wo Politik erfolgreich widerstanden hat. Vermutlich war eine Mehrheit gegen die deutsche Wiederbewaffnung und auch gegen den deutschen Nato-Beitritt, skeptisch bei der Einführung der Marktwirtschaft, gegen die Nachrüstung und wohl auch gegen die Einführung des Euro. Trotzdem hat die politische Führung diese Dinge vorangetrieben. Weil es wichtig war und richtig, und weil all diese Maßnahmen letztlich zum Erfolg geführt haben.
    Der Migrant – Oder warum das Phantom noch immer lebt
    Sarrazin stürzt sich in seinem Buch pauschal auf alle Muslime und äußert einen Generalverdacht: dass nämlich alle Menschen muslimischen Glaubens, die nach Deutschland eingewandert sind, der Unterschicht angehörten und nicht die nötige geistige Kapazität besäßen. Das ist – gelinde gesagt – völliger Unsinn und geht außerdem am eigentlichen Problem weit vorbei.
    In Hamburg

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