Mutproben
Kommilitonen, und später, im Anwaltskollegenkreis, war es nicht anders.
Doppelte Staatsbürgerschaft
Heute geht es nicht mehr um die Frage, ob diese Menschen hier bleiben werden, oder darum, wann sie wieder zurückkehren wollen in ihr Ursprungsland. Heute sind all diese Menschen ein fester Teil unserer Gesellschaft. Es sind Menschen, die trotz widriger Umstände viel geschafft haben. All diese Menschen haben für Deutschland eine immens wichtige
Rolle gespielt, ganze Industriezweige sind durch sie entstanden. Viele von ihnen haben sich eigene Existenzen aufgebaut, obwohl die Ausgangslage nicht immer optimal war für sie, in einem ihnen völlig fremden Land. Dies verdient unser aller Dank und unsere Hochachtung.
Nun liegt es auch an uns, diesen Menschen im Gegenzug eine Zukunft zu bieten. Eine Chancengleichheit zu ermöglichen. Eine Teilhabe an der Gesellschaft, in der nicht die Herkunft zählt, sondern einzig und allein der eigene Wille. Wir haben allen Grund, stolz darauf zu sein, welche Chancen uns Deutschland bietet. Die französische oder auch die britische Gesellschaft ist im Vergleich zu der unseren deutlich abgeschotteter. In diesen Ländern fühlen sich viele Menschen trotz französischem oder britischem Pass und guten Sprachkenntnissen nicht dazugehörig und sehen keinerlei Aufstiegschancen für sich. In Deutschland hingegen, so makaber das klingen mag, haben wir durch das historische Phänomen des Zweiten Weltkrieges zwangsläufig eine relativ durchlässige Gesellschaft. Die Eliten sind gefallen, ermordet worden, oder sie konnten emigrieren. Die damit verbundene Abschottung gibt es seither kaum noch. Diejenigen, die den Krieg zum Glück »gewonnen« haben, also England oder Frankreich, haben ihre gesellschaftliche Zementierung Jahrhunderte zuvor erfahren und diese bis in die heutige Zeit transportiert. Deutschland hingegen musste erst im letzten Jahrhundert einen Neustart machen – mit Hilfe der Besatzungsmächte –, und was daraus dann entstanden ist, ist unter vielen Gesichtspunkten weniger dünkelhaft als in anderen Staaten.
Historisch hat Deutschland insofern gute Chancen. Doch bis heute machen wir es vielen Menschen sehr schwer, sich vernünftig integrieren zu können. Integration bedeutet nicht zuletzt, sich einer Gesellschaft zugehörig zu fühlen. Das geht manchmal nur Schritt für Schritt, und die doppelte Staatsbürgerschaft wäre hierbei sicherlich ein richtiges Zeichen. Doch für die CDU ist dies noch immer ein großes Dogma. 1999 stellte sich Roland Koch an die Spitze einer bundesweiten Kampagne der Christdemokraten, in der es hieß: »Ja zu Integration – nein zu doppelter Staatsbürgerschaft«. Die Kampagne wurde damals von Edmund Stoiber und Wolfgang Schäuble initiiert, Koch schärfte das Thema während seines Wahlkampfes noch einmal an. Insgesamt kamen dabei über fünf Millionen Unterschriften zusammen, die diese Aktion unterstützten und die sich gegen ein Vorhaben der damaligen rot-grünen Regierung stemmten, das deutsche Staatsbürgerschaftsrecht zu reformieren. Das alles ist mittlerweile über zehn Jahre her, trotzdem bestehen weiterhin große Vorbehalte gegen die doppelte Staatsbürgerschaft. Aber warum eigentlich?
Um uns herum haben viele Länder mittlerweile die doppelte Staatsbürgerschaft eingeführt. Innerhalb der EU beispielsweise ist es heute kein Problem, diese zu bekommen. Deutschland aber wehrt sich dagegen. Wenn jemand hier sagt, er möchte gerne Deutscher werden, aus emotionalen oder rechtlichen Gründen will er sich jedoch nicht aus der Türkei abmelden, dann bricht uns doch kein Zacken aus der Krone, wenn wir diesem Menschen dies ermöglichen. Wir bieten einem hier geborenen Menschen lediglich an, sich mit
Erreichen des achtzehnten Lebensjahres für oder gegen die deutsche Staatsbürgerschaft zu entscheiden. Beides aber geht in Deutschland nicht – für die Mehrzahl der Betroffenen ein Dilemma.
Ich vermute, dass auch in diesem Punkt die größte Hürde die Angst vor dem Wähler ist. Die doppelte Staatsangehörigkeit betrifft eine Minderheit: Nicht einmal zehn Prozent der hier lebenden Menschen stehen vor dieser Entscheidung. Andererseits geht man in der Politik davon aus, dass die Mehrheit, vor allem die konservativen Wählerschichten, sich gegen eine doppelte Staatsangehörigkeit ausspricht. Indem sich also die Politiker gegen die doppelte Staatsangehörigkeit positionieren, befriedigen sie emotional das Gefühl jener Wähler, die sagen: »Wer Deutscher
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