Mutproben
England und Australien lecken sich die Finger nach solchen Leuten – wir vergraulen sie.
Bei uns in Deutschland gilt die Lehre: Lasst uns unsere eigenen Leute erst einmal qualifizieren, bevor wir andere reinholen. Doch schon an dieser Aufgabe scheitern wir, wenn wir den Migranten keine Chancengleichheit bieten. Hinzu kommt, dass wir momentan in einer Zeit leben, in der die Arbeitslosenquote so niedrig ist wie seit Jahren nicht mehr. In manchen Berufen haben wir sogar Leerstellen, weil wir nicht genügend Leute finden. Wenn wir selbst eines Tages genügend qualifizierte Leute haben, gut. Dafür müssen wir mit allen Mitteln sorgen. Zurzeit aber brauchen wir Fachkräfte aus dem Ausland. Wir sind Teil eines globalen Arbeitsmarktes. Warum also bemühen wir uns nicht um die Menschen aus Indien oder aus China und bieten ihnen alle Annehmlichkeiten, die wir nur aufbieten können? Wenn in diesen Ländern Menschen qualifiziert sind und gerne kommen möchten, dann sage ich doch sofort: Willkommen!
Ein zaghafter Versuch Deutschlands, eine Greencard anzubieten, ist vor einigen Jahren leider schon einmal grandios
gescheitert. Die Aufenthaltsgenehmigung sollte nur für fünf Jahre gelten, und es gab größte Schwierigkeiten, anschließend auch die Familien der Facharbeiter, die Ehepartner und Kinder, mit ins Land zu holen. Das Projekt wurde im Ausland kaum wahrgenommen.
Gesellschaft mit Zukunft
All dies sind Aspekte einer realistischen und vernünftigen Integrationspolitik. Die Diskussion darum, ob der Islam zu Deutschland gehört oder nicht, halte ich daher für ziemlich verblasen. In Hamburg etwa leben mehr Muslime als Katholiken. Diese Menschen leben hier zum Teil seit Jahrzehnten, sie gestalten unsere Stadt mit, die Wirtschaft, die Kultur, das Stadtbild. Da kann man nicht sagen, dass diese Menschen oder ihre Religion nicht zu Deutschland gehören.
Ich kann zwar fordern, dass die Dinge, die zu unseren Werten nicht passen, hier nicht gelehrt werden. Der Islam muss sich dem hier geltenden Gesetz selbstverständlich unterordnen und die demokratischen Maßgaben erfüllen. Deshalb ist es auch gut, dass der Verfassungsschutz bestimmte Gemeinden beobachtet, in denen offen der Hass gepredigt wird. Aber ich finde es ebenso selbstverständlich, dass man an deutschen Schulen Islamunterricht anbietet und diesen nicht durch katholische Lehrer oder durch protestantische Pastoren vermittelt, sondern durch Mullahs. Das muss dann allerdings auch nach deutschen Lehrplänen und auf Deutsch
geschehen. Je länger wir darüber debattieren, ob der Islam nun dazugehört oder nicht, desto mehr Zeit verstreicht. Zeit, die uns später fehlen wird, um unsere Gesellschaft zukunftsfähig zu machen.
Die Kultur verändert sich. Wir dürfen davor nicht die Augen verschließen. Wir müssen offen damit umgehen, dürfen das Thema nicht verkrampft sehen. Nach konservativen Maßstäben ist die Kultur einer Gesellschaft gefährdet, sobald dieser sich verändert. Aber tatsächlich entwickelt sich eine Gesellschaft ständig weiter. Es kann nicht unser Bestreben sein, ein System konservieren zu wollen, das den realen Gegebenheiten nicht gerecht wird. Wir müssen anerkennen, dass der Islam zu Deutschland gehört und sich die Kultur durch die Millionen von Muslimen, die hier leben und Teil unserer Gesellschaft sind, bereits verändert hat und weiter verändern wird. In welche Richtung das geschieht, das können wir nicht absehen, es ist ein offener Prozess. Jede Zuwanderung, egal in welches Land, hat die vorherrschende Kultur verändert. Auch die Globalisierung verändert die Kultur aller Länder, das Internet, durch das ein Vierzehnjähriger sich heute mit einer gleichaltrigen Argentinierin anfreunden kann, die zehntausend Kilometer entfernt lebt. Die Kultur befindet sich im stetigen Wandel, Kultur war nie ein starres Gebilde. Erst durch Wandel, erst durch Bewegung entsteht Kultur. Wir sollten diesen Prozess akzeptieren und ihn als Chance begreifen. Wir dürfen nicht so ängstlich sein.
Natürlich vergesse ich nicht, dass Deutschland bis heute christlich geprägt ist. Christliche Werte prägen unser Grundgesetz. Im Umkehrschluss darf kein Postulat an den Staat und an die Verantwortlichen entstehen, Minderheiten sollten in ihren Entfaltungsmöglichkeiten nicht gebremst werden. Auch diese Menschen haben ihre kulturellen Errungenschaften, die zu respektieren sind und die uns als Gesellschaft sogar bereichern. Immer wieder ist der Ruf nach einer deutschen
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