Mutter bei die Fische
Wettbewerben teilgenommen. Dass sie dabei kaum einen Cent verdient hatte, stand zwar nicht im Lebenslauf, war aber natürlich die Ursache für Ginas stetig wachsenden Frust. Auch sie ging auf die dreiÃig zu und wollte in absehbarer Zeit Kinder und Familie haben. Falk fand, Gina sollte den Ausbeuterberuf der Dauerpraktikantin hinschmeiÃen, zu ihm auf die Insel kommen und mit ihm glücklich werden, aber Gina schaute ihn dann stets mit diesem gequälten Gesichtsausdruck an, der Bände sprach: »Du kannst dich selbst kaum über Wasser halten, du armer Irrer, was soll ich dann auch noch hier? Strandkörbe flicken und mich von selbstgefangenen Krabben ernähren?«
Sie musste es nicht aussprechen, Falk konnte ihre Gedanken lesen, als stünden sie in gedruckten Buchstaben über ihrem Kopf. Eine Zeitlang hatte er sich das Hirn zermartert, wie er es anstellen könnte, sich auf Heisterhoog zusätzlich zur Strandkorbvermietung eine sichere Existenzgrundlage zu schaffen, die auch Karriere-Gina davon überzeugen würde, dass sie sich bei ihm in gesicherten Verhältnissen befand. Aber er hatte keine zündende Idee gehabt. Und das lag daran, dass Falk mit dem Ist-Zustand seiner beruflichen Existenz vorerst sehr zufrieden war.
Und so stand er jetzt an einem Freitagnachmittag Ende Mai in seinen Kapuzenpulli gehüllt am Landesteg und wartete auf die Fähre. Er war fast allein auf der Mole, denn das Schiff, auf das er wartete, verkehrte nicht planmäÃig. Das Filmteam hatte bei der Reederei eine zusätzliche Fahrt beantragt und gegen einen Haufen Cash auch bekommen. Nur so war es möglich, das gesamte Equipment, die Lastwagen für Licht und Kamera, die Baubühne, das Kostüm, die Maske und den Ton mit einem Mal auf die Insel zu transportieren. Auch ein Heer von Statisten war an Bord, die allerdings, das wusste Falk von Bertie, den An- und Abreisetag nicht als Arbeitstag bezahlt bekamen. Sie sollten, so Bertie in einem Tonfall, den Falk von seinem sonst so kapitalismusfeindlichen Kumpel nicht kannte, froh sein über die kostenlose Ãberfahrt.
Bertie war bereits vor zwei Wochen mit Regisseur, Ausstatter und Produzent sowie deren Gefolge auf die Insel gekommen, und sie hatten mit Jörn Krümmel die Eckdaten der Drehgenehmigung verhandelt. Silke Söderbaum war ebenfalls mit von der Partie gewesen, auÃerdem Falk und Hubert von Boistern. Während Silke und Falk klare Aufgaben übernommen hatten â Beauftragte für die Einhaltung der Naturschutzauflagen einerseits und Verantwortlicher für den reibungslosen Ablauf der Dreharbeiten in Koordination mit dem Fremdenverkehr andererseits â, war Falk zunächst nicht ganz klar gewesen, wieso Immobilienhai und Allroundunternehmer Hubsi schon wieder mitmischte. Aber Jörn hatte ihm gesteckt, dass es immer besser war, bei allen gröÃeren Entscheidungen Hubert auf der eigenen als auf der gegnerischen Seite zu haben. Denn dieser war ein Intrigant, wie er im Buche stand, immer auf seinen Vorteil aus, den er hemmungslos gegen jeden, der ein Stück vom Kuchen haben wollte, verteidigte. Und er war auch Inhaber eines GroÃteils der Ferienhäuser in Süderende. Als solcher sollte er den wichtigen Teil des Filmteams, also sowohl alle, die am Set etwas zu sagen hatten, als auch die wichtigsten Darsteller beherbergen. Und tatsächlich hatte Hubsi in den Verhandlungen mit den Filmleuten sofort den richtigen Ton getroffen und den Hamburger Jungs Honig ums Maul geschmiert, was Silkes herbe Attacken sofort abschwächte. Die Hamburger fühlten sich willkommen auf Heisterhoog, waren happy, dass sie ihren D-Day in der »geilsten Kulisse ever « drehen konnten, und hatten versprochen, die gutgeschmierte Tourismusmaschinerie auf der kleinen Insel nicht zu stören.
»Sie werden sehen, nach drei Wochen sind wir wieder weg, und Sie merken gar nicht, dass wir da gewesen sind«, hatte der Produzent vollmundig versprochen. Dann hatte er Bertie auf die Schulter geklopft, woraufhin dieser betont cool das Victory-Zeichen gemacht hatte â ganz Ackermann, wie Falk feststellte. Bertie, dem der Produzent den Tipp mit Heisterhoog zu verdanken hatte, war tatsächlich, wie von Falk prophezeit, zum ersten Set-Aufnahmeleiter aufgestiegen und grinste seitdem wie ein Honigkuchenpferd â sogar im Schlaf, wie Bille Falk am Telefon anvertraut hatte. Falk war glücklich, dass er seinem Kumpel aus der Patsche
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