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Mutter bei die Fische

Mutter bei die Fische

Titel: Mutter bei die Fische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Matisek
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Tisch zurückkehrte. Harms dagegen aß für zwei. Er hatte äußerst beeindruckt von Grits gutem Aussehen gewirkt, aber Falk wollte mit seinem Vater nicht über seine nun abwesende Mutter sprechen. Auf alle Fälle herrschte nun Klarheit, Falk musste nicht weiter versuchen, Harms’ Anwesenheit auf Heisterhoog zu erklären. Grit würde schon versuchen, Harms aus dem Weg zu gehen. Nichtsdestotrotz tat es Falk weh, dass nun ein Schatten auf Grits romantischem Jahresurlaub lag.
    Harms war direkt leutselig und erkundigte sich lebhaft nach allem, was ihm in den vergangenen fünfundzwanzig Jahren herzlich egal gewesen war. Ob Falk sein Studium abgeschlossen hatte (nein), ob er vorhatte, nach Hamburg zurückzukehren (vielleicht), und ob er sich in festen Händen befände (auf alle Fälle: ja!). Falk versuchte im Verlauf des Abends Indizien dafür zu finden, dass er mit seiner Annahme, Harms sei böse erkrankt, recht haben könnte. Tatsächlich sah sein Vater nicht nur alt und krank aus, er lenkte das Gespräch auch immer wieder auf seinen Bruder Sten, Falks alten Onkel. Dass er es bedauere, keinen besseren Kontakt zu Sten gehalten zu haben. Dass er Sten bewundere, wie dieser mit dem Nötigsten sein Dasein gefristet habe. An dieser Stelle widersprach Falk, denn Sten hatte es an nichts gemangelt, er hatte einfach keine hochtrabenden Bedürfnisse gehabt, im Gegensatz zu manch anderen. Und dann ergänzte Harms noch, dass er es zutiefst bedauere, das Erbe ausgeschlagen zu haben.
    Â»Ehrlich gesagt bin ich sehr froh darüber, dass du das getan hast«, gab Falk zu. »Was hättest du denn angefangen mit einem Stück Insel, weit weg von Manhattan?«
    Â»Jaja, da hast du schon recht«, gab Harms zu, sah dabei aber aus wie ein listiger Fuchs.
    Â»Du hättest es doch vermutlich einfach verscheuert, oder nicht?«, bohrte Falk nach.
    Harms tat unschuldig und zuckte mit den Achseln. »Ist ein schönes Stückchen Land. Die Immobilienpreise sind extrem gestiegen in den letzten Jahren. Also … das ist eine gute Investition.«
    Â»Jetzt nicht mehr«, sagte Falk bestimmt und stand auf, um den Tisch abzuräumen. »Jetzt gehört es mir, und ich gebe es nicht mehr her.« Er trug die Teller und Gläser in die Küche.
    Harms blickte ihm nachdenklich hinterher.
    Gegen elf Uhr verabschiedeten sie sich, Harms wollte den Bus Richtung Norderende noch erwischen. Als Falk sich erkundigte, in welchem Hotel Harms wohnte, damit er ihn auch erreichen könne, wenn es nötig sei, wischte Harms sich zerstreut über die Augen.
    Â»Ã„h, ich weiß nicht …«, sagte er und blickte ratlos drein.
    Â»â€ºDeichgraf‹ oder ›Dünenkieker‹?«, fragte Falk. »Gibt ja nur zwei.«
    Aber statt einer Antwort umarmte Harms ihn. Er drückte Falk fest an sich und murmelte: »Mein Junge«, bevor er sich löste und zur Bushaltestelle ging.
    Falk sah ihm betreten hinterher. Ob Harms Thomsen etwa dement wurde? Oder wie sonst war es zu erklären, dass er nicht wusste, in welchem Hotel er seit fast einer Woche wohnte? Und wieso umarmte er plötzlich seinen Sohn? Das hatte es noch nie gegeben.
    Falk war zu aufgewühlt, um zu schlafen, und beschloss, noch einen Spaziergang zum Strand zu machen. Oder noch besser: zu joggen. Er ging in seine Kate, schlüpfte in die ausgebeulte Jogginghose, streifte sich einen Hoodie über und zog die Stirnlampe an. Das war einer der vielen Augenblicke, in denen er sich wünschte, einen Hund zu haben. In Hamburg hatte er Hunde regelrecht gehasst, die ihn im Volkspark beim Joggen gejagt oder die Bürgersteige vollgekackt hatten und bei Grillpartys als ungebetene Gäste aufgetaucht waren. Aber hier, in seiner Heisterhooger Klause, wo er die meiste Zeit draußen verbrachte, hier wünschte er sich manchmal einen treuen Gefährten. Falk nahm sich vor, bei seinem nächsten Berlin-Aufenthalt mit Gina dem Tierheim einen Besuch abzustatten. Vielleicht gab es Liebe auf den ersten Blick und er würde einen treuen Kumpel auf die Insel mitnehmen können. Der Gedanke gefiel Falk außerordentlich, und so machte er sich mit mehr Leichtigkeit im Herzen auf den Weg.
    Die kühle Nachtluft strich angenehm über Falks Gesicht, er hörte die Wellen ans Ufer rauschen, sah sie aber noch nicht, weil er sich auf dem Hinweg auf dem Dünenweg hielt. Zurück wollte er dann am Wasser entlanglaufen.

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