Mutter bei die Fische
alten Körbe, von Salz und Sand und natürlich vom Meer entgegen. Es duftete nach Algen, vertrockneten Quallen oder Krebsen und Teer. Nicht zu vergessen nach dem Kaffee, den Nille immer schon aufgebrüht hatte, wenn Falk kam.
Nille der Klabautermann, wie er genannt wurde, in seinem gelben Ãlzeug, den übergroÃen Gummistiefeln und dem dunkelblauen Troyer, umarmte Falk stets, als hätte er ihn jahrelang nicht gesehen, und legte vertraulich den Kopf auf Falks Schulter, bis Falk ihn begütigend auf den Rücken klopfte. Falks Gehilfe war geistig nur eingeschränkt fähig, aber er war hilfsbereit, eifrig und immer von sonnigem Gemüt. Nille war schon dem alten Sten zur Hand gegangen, und Falk hatte ihn gerne übernommen. Zwar konnte er Nille nicht wirklich angemessen für seine Tätigkeit bezahlen, aber erstens wurde Nille von den Insulanern mit Klamotten, Lebensmitteln und allem, was er zum Leben brauchte, versorgt, und zweitens arbeitete Nille nicht vorrangig in der Strandkorbvermietung, um Geld zu verdienen, sondern weil sein Herz daran hing. Nille kannte jeden einzelnen Strandkorb und seine Macken. Er war in der Lage, alles zu reparieren, und Falk war voll tiefer Bewunderung für Nilles handwerkliches Geschick. Wie er das Korbgeflecht der Stühle ausbesserte oder die kleinen Holzbrettchen, die als Minitischchen auf einer Seite in den Strandkörben angebracht waren, zurechtsägte und abschliff oder die Metallstreben, an denen die ausziehbaren FuÃstützen befestigt wurden, wieder geradedengelte â Nille war ein Meister seines Fachs!
Als Falk an diesem Nachmittag die Halle betrat und seinen Gehilfen umarmte, spürte er sofort, wie sich seine Laune hob. Hier, in der warmen Lagerhalle, mit Nille und den Körben und einem heiÃen Kaffeebecher in der Hand, relativierte sich die Niederlage vom Vormittag sofort. Während er ein paar neue Holzbretter abschliff und mit Ãl behandelte, erzählte er dem Klabautermann von der Zeitungsente mit dem Windpark, von Jörns Befürchtung über die ausbleibenden Gäste und seinem fehlgeschlagenen Versuch, sich ein zündendes Konzept auszudenken. Nille nickte zu allem eifrig, obwohl Falk überzeugt war, dass er nicht mal ein Viertel von dem Gesagten verstanden hatte.
Nille zuckte daraufhin mit den Schultern, grinste Falk an und sagte: »A-a-aber wir s-s-sind da, F-f-falk.« Und dann lachte er fröhlich.
Und Falk fand, dass Nille einfach recht hatte. Sie waren da, und das war im Moment alles, was zählte.
Gutgelaunt stellte Falk das kleine Transistorradio mit der Drahtbügelantenne an, und gemeinsam hörten sie auf Radio Schleswig-Holstein den nachmittäglichen Kinderfunk. Kurz vor den 5-Uhr-Nachrichten klingelte Falks Handy. Es war Bertie, Falks bester Kumpel aus Hamburger Tagen. Falk war überrascht, denn der Kontakt zu Bertie war seit letztem Sommer etwas eingeschlafen. Zum einen, so vermutete Falk, weil Bertie sich mit Falks Ex, Bille, zusammengetan hatte und die beiden ihm gegenüber nicht zugeben wollten, wie ernsthaft ihre Beziehung zu werden drohte, zum anderen aber, weil Bertie mit Ende zwanzig einen Jobwechsel vorgenommen und beim Film angefangen hatte. Zunächst als Fahrer (eigenes Handy, dienstlich genutzt, keiner weià den Namen), dann war er zum Set-Aufnahmeleiter-Praktikanten (immer noch eigenes Handy, aber Funkgerät von der Firma und der Caterer kennt dich) aufgestiegen, und seit ein paar Wochen war er ganz wichtig. Er war nämlich Set-Aufnahmeleiter-Assistent (endlich Diensthandy plus zwei Funkgeräte und der Name erscheint in der Stabliste). Bille, die als DJ ane in Hamburgs angesagten Clubs arbeitete, war an Filmfuzzi-Berties Seite offensichtlich sehr viel glücklicher als an der des gescheiterten Soziologiestudenten Falk, wie dieser nicht ohne Neid bemerken musste.
Dass Bertie ihn anrief, mitten am Tag, ohne dass gerade irgendwo ein EM - oder WM -FuÃballspiel übertragen wurde (der einzige Grund, der es rechtfertigte, vom Set aus anzurufen), deutete auf ein handfestes Problem hin. Hoffentlich gab es keinen Zoff mit Bille, dachte Falk, denn auf Beziehungsgequatsche, seine Exfreundin betreffend, hatte er jetzt gar keinen Bock.
»Na, Alter, was geht?«, eröffnete Bertie wie üblich das Gespräch.
Falk, der fand, dass er langsam in ein Alter kam, in dem man sich einfach nur mit »Hallo« begrüÃen konnte, konterte ebenfalls wie gewohnt.
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