Mutter der Monster
Er dachte nur an eins: die Zeit, die unaufhaltsam verstrich, und Buffys Prüfung, die unweigerlich näher rückte. Ich habe sie allein gehen lassen.
Es gab viele Dinge, mit denen sich Angel abgefunden hatte, Schlachten, in die er nicht gezogen war, weil er wusste, dass er sie nie gewinnen würde; dass er war, was er war – ein Dämon mit einer Seele –, gehörte ebenfalls dazu. Aber eines hatte er nie gelernt.
Zu akzeptieren, dass es Zeiten gab, in denen er zurücktreten und zusehen musste, wie sich die Frau, die er liebte, in Gefahr begab. Ohne ihn.
Er schlug mit der Faust auf den Kaminsims, ohne den harten Stein zu fühlen, ebenso wenig wie er die Hitze der Flammen spürte. Wenn er besorgt war, war es stets sein erster Impuls, ein Feuer zu machen. Ein Verlangen nach Licht und Wärme, das ihn nie verlassen hatte, nicht einmal nach all diesen Jahren und all den Dingen, die er geworden war.
Vielleicht war es genetisch bedingt. Vielleicht war ein Teil von ihm so sehr in seinen Genen verankert, dass er immer derselbe bleiben würde. So grundlegend war dieser Teil.
Es spielte auch keine Rolle, dass er nur die Hälfte von dem genießen konnte, was das Feuer zu bieten hatte. Nur das Licht.
Nicht die Wärme. Er war tot, er war seit mehr als 200 Jahren tot. Es gab kein Feuer auf Erden, das ihn wärmen konnte.
Sag mir, was ist das für ein Gefühl, das zu sein, was du bist, und eine Seele zu haben?
Er spürte, wie sich gegen seinen Willen seine Lippen zu einem bitteren Lächeln verzogen. Eins musste er Nemesis lassen. Sie wusste, wie man eine Frage stellte.
104
Es ist die Hölle. Jedenfalls so gut wie. Dass er die Hölle durchlebte konnte man nur deshalb nicht behaupten, weil er nicht lebte.
Er starrte finster in die Flammen, doch plötzlich ruckte sein Kopf herum, Sekunden, bevor er das wilde Hämmern an seiner Haustür hörte. Er durchquerte den Raum mit schnellen, großen Schritten und riss die Tür auf.
Vor ihm, in der Dunkelheit, stand Willow.
Oz war an ihrer Seite. Xander und Giles waren dicht hinter ihnen. Er konnte Oz’ Transporter und Giles’ klapperigen Citroën am Straßenrand parken sehen.
Sieh an, die ganze Gang ist hier versammelt, dachte Angel.
Die einzige Frage war, warum waren sie gekommen?
»Was ist los?«, fragte er mit scharfer Stimme. »Was ist passiert?«
»Nichts«, antwortete Willow. In den Händen hielt sie eine große Kupferschüssel.
»Nun, ihr seid doch nicht den ganzen Weg hierher gekommen, um mir einen Mitternachtssnack zuzubereiten, oder?«
Oz hielt mit der rechten Hand einen Gegenstand hoch: einen Krug Quellwasser.
»Kristallkugelzauber«, sagte er knapp.
Angel zog die Brauen hoch. Er wusste sehr wohl, welch starke Gefühle Buffys Freunde für sie empfanden, aber zuweilen war selbst er überrascht.
»Kristallkugelzauber«, wiederholte er. »Interessante Idee.«
Er sah wieder Willow an. »Deine?«
Der Rotschopf nickte und drückte die Schüssel an sich. »Ich dachte, wenn wir Buffy schon nicht begleiten können, dann können wir wenigstens beobachten, was passiert. Um notfalls einzugreifen, wenn etwas schief geht.«
»Wie die Kavallerie«, meinte Angel.
Willow nickte erneut. »So in der Art«, bestätigte sie.
105
»Ich habe ihnen die Risiken erklärt«, meldete sich Giles mit leicht hölzern klingender Stimme zu Wort. »Aber wie es scheint, bin ich überstimmt worden – wie immer.«
Und das bezieht sich nicht nur auf den Zauber, dachte Angel.
Giles war vermutlich nicht begeistert von dem Ort, den Willow gewählt hatte. Aber er ist gekommen, aus demselben Grund, aus dem ich ihn hereinlassen werde.
Weil die Jägerin zuerst kam. Immer.
Angel trat zurück und bedeutete Buffys Freunden einzutreten. »Kommt herein«, sagte er. Und versuchte die Tatsache zu ignorieren, dass Giles der Letzte war, der über die Schwelle trat.
»Mom?«
Buffy stand an der Tür des Vampirhauses und sah sich schnell um. Von dem Marmoreingang führten zwei Flure wie ausgestreckte Arme in die Seitenflügel. Vor ihr befand sich eine Wand, deren Tapete mit kohlkopfgroßen Rosen gemustert war.
Wie es schien, war die Vorliebe der Vampirmutter für Blumen nicht allein auf ihre Kleidung beschränkt.
Grund genug für Buffy, mit Sorge an all das zu denken, was ihr noch bevorstand.
Sie holte tief Luft, hielt sie für einen Moment an und atmete dann aus. Die Luft in dem Haus war muffig und kalt.
Es ist lange her, seit etwas Lebendes hier gewesen ist, dachte Buffy.
Und das, was hier war,
Weitere Kostenlose Bücher