Mutter des Monats
wäre fasziniert gewesen. Sie konnte sich fast so gut verwandeln wie die Außerirdischen.
Rachel nahm sich fest vor, ihre Mutter am Sonntag zu besuchen und besonders freundlich zu ihr zu sein. Sie setzte sich an den Tisch, kaute auf dem Bleistift herum und strich über den weißen Zeichenkarton vor ihr, als das Handy zirpte. O je, dachte sie, und ihr Magen zog sich zusammen. Eine blöde SMS . Es tat weh, dass sie und der Mann, mit dem sie offiziell noch verheiratet war, nur noch per SMS kommunizierten. Früher, als es noch keine Handys gab, mussten Ehepartner auch nach der Trennung noch miteinander reden, wenn es um die Kinder ging. Gelegentlich hatten solche Unterhaltungen vielleicht sogar zu einer anderen Form des Austausches geführt. Möglicherweise wurde dadurch ja sogar so etwas wie Frieden und Harmonie gestiftet. Abendessen. Bett. Deswegen hatten sich früher auch weniger Paare scheiden lassen.
Bitte, lass diese SMS nicht von ihm sein. Sie öffnete die Nachricht. Und, wie sollte es anders sein: Sie stammte vom Prachtkerl persönlich, dem gnädigen Versorger, dem wunderbaren Brad-Pitt-Double. Was wollte er jetzt schon wieder?
»Muss Samstag arbeiten. So sorry! Hole Kinder Sonntag früh. OK ? Chris.«
11 Uhr: Große Pause
Heather schob den Einkaufswagen in Richtung Backwaren. Sie kam gerade aus dem Fitness-Studio und musste gleich weiter zu Colette. Ihr Herz raste zwar nicht, aber es pochte doch ziemlich schnell. Vor dem Mehl blieb sie stehen. Das Problem war, dass sie nicht wusste, wie viele Kuchen sie eigentlich backen sollte. Zwei Kilo dürften reichen. Würden ihre Poster die anderen dazu animieren, auch was mitzubringen? Sie nahm noch zwei Kilo dazu. Und wie viele Autos nahmen an dem Kofferraumflohmarkt eigentlich teil? Oder »Händler«, wie Bea sie nannte, während sie mit den Fingern Anführungszeichen in die Luft malte. Sechs Kilo, das war wohl genug. Sie füllte den Einkaufswagen mit der entsprechenden Menge Backpulver und Puderzucker, schnappte sich zwei Dutzend Eier und marschierte in Richtung Milchprodukte weiter.
Nie zuvor hatte es einen Grund gegeben, diese übergroßen Milchcontainer zu kaufen, denn die gehörten in Riesenkühlschränke und waren für andere Haushalte gedacht. Ihre Kleinfamilie müsste darin baden, um sie aufzubrauchen. Guy mochte Milch sowieso nicht so gern. Er hatte keine Allergie, nur eine Intoleranz. Empfindlicher Magen. Und wenn man nur ein Kind hatte …
Sie schaute auf den Einkaufswagen neben ihr. Hinter den beiden freundlichen Kleinkindern türmte sich ein wahrer Lebensmittelberg auf. Heather war fasziniert. Jumbopack, Familiengröße, einhundert Fischstäbchen? Konnte eine einzige Familie tatsächlich hundert Fischstäbchen verspeisen? Die Frau reckte sich nach einer Großpackung Milch und sah flüchtig in Heathers Wagen. Nahm sich eine zweite Großpackung und verdrehte schwesterlich verständnisvoll die Augen. »Der wöchentliche Albtraum, hm?« Sprach’s und hetzte weiter.
Heather betrachtete ihre Einkäufe, ein ziemlicher Haufen. Klar! Diese ihr völlig fremde Frau wusste natürlich nicht, dass sie nur ein Kind hatte und nur wegen des Flohmarkts so viel in ihrem Wagen lag. Heather geriet ins Grübeln. Diese Veranstaltung sollte doch sicher eine richtig große, überregionale Angelegenheit werden? Vielleicht sollte sie der Frau hinterherlaufen und sie darauf aufmerksam machen? Nein, besser nicht. Sie hatte in Heathers Wagen geschaut und die falschen Rückschlüsse gezogen. War von einer hektischen Großfamilie ausgegangen, mit vielen hungrigen Mäulern wie in einem Vogelnest im Frühling und kleinen Körpern, die Kalzium für starke Knochen brauchten. Die Frau hatte sie für eine Mutter gehalten, die genau das Leben führte, das sie sich immer gewünscht hatte.
Da fühlte sie sich doch gleich einen Kopf größer. Eine andere Mutter versuchte, ihr trotzendes Kind zu beruhigen, und die neue Heather schaute ihr über den Einkaufswagen hinweg lächelnd dabei zu. Das haben wir alle schon mal erlebt, sagte ihr Blick. Stimmte aber nicht. Maisie hatte eigentlich nie Trotzanfälle gehabt. Sie war immer schon so ein stilles Ding gewesen. Zu pflegeleicht, dachte Heather und wurde von großer Traurigkeit erfasst. Sie nahm vier Brote aus dem Regal, warum, wusste sie nicht. Brauchte man Brot bei einem Kofferraum-Flohmarkt? Aber das viele Essen tröstete sie, es füllte eine Lücke.
Weiter zum Regal mit den Reinigungsmitteln. Sie selbst brauchte keine, und für Sonntag
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