Mutter des Monats
waren wohl auch keine nötig. Aber ach, dachte sie, was für ein Anblick! Ajax im Doppelpack, das würde sie kaufen, wenn sie die Großfamilie hätte, die ihr eigentlich zustand. In Gedanken sah sie, wie sie zweimal am Tag mit Eimer und Wischmopp die Küche sauber machte, sich über den schmutzigen Boden aufregte, wegen der quer durch den Flur gepfefferten Fußballschuhe und tausenderlei Dinge meckerte, die sie zu tun hatte, die aber keiner wertschätzte, da könnte sie auch mit der Wand reden … Heather lächelte wehmütig. Warum war eigentlich das nicht so?
Heather hatte sich beim Einkaufen nicht mehr so rebellisch gefühlt, seit sie mit dreizehn einen Eyeliner geklaut hatte. Und das war alles Georginas Schuld. Sie vergewisserte sich, dass keiner zusah, schnappte sich den wunderbar soliden Doppelpack Ajax und stapelte ihn auf die Familienpackung Margarine in ihrem Wagen. Was war denn dabei? Sie war nicht sicher, ob sie jemand beobachtet hatte, aber sie tat ohnehin nichts Schlimmes. Eine zweiundvierzigjährige Frau, die Reinigungsmittel kauft – das war wohl kaum die Tat einer Irren. Keiner würde die Männer in den weißen Kitteln rufen. Sie könnte sogar noch mehr verschwörerische Blicke ernten. Vielleicht unterstellte ihr ja eine andere Frau lauter Söhne, Dreck und wenig wertgeschätzte Hausarbeit. Eine, die nicht wusste, dass das Unordentlichste in Heathers Küche die Zeichnungen ihrer Tochter waren, wenn die über den Rand gemalt hatte. Das geschah allerdings nicht oft, denn ihre Maisie arbeitete sehr sorgfältig.
Manchmal, ganz selten, in ihren dunklen Momenten – die sehr dunkel sein konnten und neuerdings immer öfter auftraten – fragte sie sich, ob, na ja, ob es nicht besser wäre, wenn sie gar keine Kinder hätte, statt nur eines. So! Jetzt hatte sie ihn ausgesprochen, den schrecklichen Gedanken, den sie einfach nicht verdrängen konnte. Immer wieder kam er hoch – plopp! –, ganz von selbst. Holla, sieh an! Eine Flasche Saft, so groß und schwer, dass sie einen Griff hatte. Davon würde sie zwei mitnehmen. Natürlich war Maisie für sie das Allerwichtigste. Für Guy auch. Der betete sie an.
Sie nahm sich eine Jumbopackung Kit-Kat. Und noch eine. Wenn schon, denn schon. Sie und Guy waren sich immer einig gewesen, dass Heather sich um die Kinder kümmern würde, wenn sie welche bekämen. Sie würde sie jeden Morgen wecken, sie zur Schule bringen und abholen, ihnen Geschichten vorlesen, ihre Freundinnen einladen und ihnen Spaghetti kochen, ihnen einen Gutenachtkuss geben. Dann war Maisie auf die Welt gekommen, und Heather hatte ihren Job aufgegeben. Trotz all ihrer Bemühungen und denen der versammelten Ärzteschaft hatte sich kein weiterer Nachwuchs eingestellt. Doch Maisie war gesund und munter, also hatten sie alles richtig gemacht. Aber sie war so gesund und munter, dass sie Heather überhaupt keine Arbeit machte. Sie könnte sich zwar eine neue Stelle suchen, aber dann wäre sie nicht für ihr einziges Kind da, würde dessen Freundinnen nicht kennen und könnte keine Spaghetti für sie kochen. Vielleicht würde sie manchmal länger arbeiten, dann könnte sie dem Kind auch keinen Gutenachtkuss auf die kleine Wange geben. Und dann wäre es – sie, Maisie – nicht mehr gesund und munter. Sie war, um es mit Guys Lieblingsformulierung auszudrücken, »wirklich gekniffen«. Neidisch dachte sie an Deborah mit ihrem Milo. »Ein außergewöhnliches Kind«, so hatte Deborah ihn genannt, und ihren Beschreibungen nach war er das wirklich. Mit ihm hatte Deborah bestimmt alle Hände voll zu tun. Die Glückliche.
Je mehr sich ihre Laune verschlechterte, desto langsamer kam Heather voran. Als sie sich schließlich zur Kasse schleppte, wurde sie von der Frau mit dem Essensberg überholt, die sich vor sie drängelte. »Stresstest«, so hatte Bea diese Lebensphase beim Kaffee nach der Pilates-Stunde vor einigen Tagen genannt. Solange die Kinder klein sind, unterzieht uns das Leben einem Stresstest. Heather legte alle Artikel ihres Einkaufsmarathons aufs Band. Wenn das mein Stresstest sein soll, dachte sie, fühlt er sich ziemlich merkwürdig an. Wie nach einem furchtbaren Unglück, als hätte ein Mitglied der Königsfamilie den Löffel abgegeben oder England irgendein wichtiges Fußballspiel verloren: Alles war still, leer und unheimlich.
Endlich war sie an der Reihe. Die Kassiererin wappnete sich für die Schlacht. »Bekommen Sie Besuch?«, fragte sie.
»Nein, nein.« Heather rieb an der Plastiktüte
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