Mutter des Monats
und zeigte großes Interesse. »Das stand ja gar nicht in der Zeitung.«
»Ach, da fällt mir was ein! Weißt du, was passiert ist? Da kommst du nie drauf!« Maisie war ganz aufgeregt. »Scarletts Mami hat jetzt einen Job!«
Für die meisten Bewohner von St. Ambrose war das Rein und Raus beim Hinbringen Teil der Vormittagsroutine. Aber für einen kleinen Teil – der sich gerade aufgeregt unter der Buche versammelt hatte – brach an diesem Morgen ein neues Zeitalter an: Bea trug keine Sportkleidung!
Seit Scarletts erstem Schultag war Bea jeden Morgen in sportlicher Funktionskleidung aufgetaucht. Doch jetzt war sie wie verwandelt, in ihrem besten Büro-Outfit, mit elegantem Blazer, knielangem Rock und transparenter Strumpfhose wirkte sie sogar noch größer als sonst, das waren wohl die Absätze, oder stand sie auf einem Podest? Wahrscheinlich lag es an ihrer überragenden Persönlichkeit. Jedenfalls stand sie da, klapperte mit dem Schlüsselbund und lächelte auf die Frauen herab, die sich lediglich zum Sport hier versammelt hatten.
» PA Bindestrich Manager mit Aussicht auf PR -Arbeit. Vielen Dank, wie lieb von dir!«
Und: »Ja, genau. Für einen Fernsehkoch. Du warst beim Frisör, stimmt’s? Momentan noch über Satellit, aber wir hoffen …«
Scarlett stand etwas abseits, ließ ihren Schulbeutel hin- und herbaumeln und gab die Pressesprecherin. »Ich weiß, sie macht so viel! Aber das kriegt sie schon hin. Wie immer.« Sie wandte sich an Rachel: »Tolle Stiefel!«
»Danke, Scarlett. Was macht deine Mutter da drüben? Sie sieht aus wie eine Braut, kurz bevor sie den Strauß in die Menge wirft.«
»Ach, sie sucht nur jemanden aus, der uns heute Abend mitnehmen darf. So süß! Mami wird ab jetzt so viel zu tun haben, aber sie weiß, dass alle mithelfen werden.«
Das war das Stichwort für Heather. Sie hastete, so schnell ihre Nikes sie trugen, in Richtung Buche, fuchtelte mit den Armen, ließ dabei die Poster fallen und rief: »Bea? Bea? Kann ich irgendwas für dich tun, Bea?«
»Na gut«, sagte Rachel zu den Mädchen. »Sieht so aus, als müsste ich euch heute in die Klasse bringen.«
Rachel hörte das Telefon in ihrer Wohnung klingeln, konnte aber ihren Schlüssel so schnell nicht finden. Mist, wo war er nur? Drrring, drrring. Weil sie so viel abgenommen hatte, hing ihr die blöde Jeans fast in den Kniekehlen und schlug überall Falten, deshalb konnte sie nicht richtig in die Hosentasche greifen. Nein, am Trennungsschmerz lag das nicht. Na ja, jedenfalls nicht nur. Den Alltag hatte sie meist im Griff, aber seit Chris sie verlassen hatte, war ihr täglicher Essensplan völlig durcheinandergeraten. Drrring, drrring. Eigentlich hatte sie keine Probleme, für sich zu sorgen – ha, gefunden! –, aber die Tatsachen sprachen für sich: Als sie noch mit Chris zusammen gewesen war, hatte es zum Abendessen mindestens zwei Gänge gegeben, der Tisch war gedeckt und die Gerichte spannend gewesen. Jetzt, wo sie allein lebte, gab es eine Schale Müsli als Hauptgericht und ein Kit-Kat zum Nachtisch.
Sie stürmte in die Wohnung, stolperte über einen Umzugskarton und bekam trotzdem noch den Hörer zu fassen. Gerade rechtzeitig!
»Oh, hallo Mama.«
Ein Anruf der eigenen Mutter musste doch gar nicht so schlimm sein. Sie könnte sich einfach den Hörer unters Kinn klemmen, nebenbei ihre Sachen erledigen und gelegentlich »Jaja« murmeln. Mehr wurde nicht von ihr verlangt. Pipifax. Und doch … Obwohl Rachel wusste, dass sie mit ihren vierzig Jahren erwachsen war und dies auch verinnerlicht hatte, verwandelte sie sich allein durch das »Ich bin’s nur« ihrer Mutter in einen trotzigen Teenager.
»Ich war gestern bei Mary zum Kaffee.« Rachel ging nach oben, um sich einem spannenden Wäschehaufen zu widmen. »Ihr Neffe – du weißt schon, der nach Kanada ausgewandert ist – meinte, es läuft alles ganz wunderbar für sie.« Bla, bla, bla, äffte Rachel sie nach und zog eine Grimasse. Sie schlurfte die schiefe Treppe hinunter …
»Da drüben sind die Schulen offenbar richtig gut.«
… und stolperte über einen Umzugskarton.
»Und ihre Tochter kann echt gut Eislaufen.«
Na, und? Rachel stopfte alles in die Waschmaschine. »Tut mir ja echt leid, dass Josh sich beim ersten Mal auf dem Eis gleich das Handgelenk verstaucht hat. Und es tut mir auch schrecklich leid, dass er es nicht noch mal versucht hat. Jetzt kannst du leider nicht bei Mary damit angeben. Oder bei Torvill. Oder bei Dean.«
»Du liebe Güte,
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