Mutter des Monats
Kazia – die gute Seele – hatte sich seit Tagen verausgabt. Es war nicht mal richtig kalt hier drin. Wenn man wollte, könnte man sich sogar einbilden, der prasselnde Regen sei ein Wasserfall.
Das Beste war, dass alle gekommen waren. Und jeder wollte sich auf Gedeih und Verderb amüsieren. Das Zelt füllte sich langsam und es wurde stetig lauter, man konnte die Aufregung förmlich spüren. Lehrer, Eltern, Großeltern und Freunde, alle waren da, selbst die muffige Sekretärin, und sie hatte sich richtig aufgetakelt. Ja, das war das richtige Wort. Das arme Ding. Da drüben stand Tom Orchard und schwatzte mit Bea; in seinem Smoking sah er richtig smart aus. Colette hatte so ein Schwein. Unter den Gästen befanden sich zu ihrer großen Freude auch alle Schulbeiräte. Es lief genau, wie Deborahs Bauchgefühl es ihr gesagt hatte: Diese netten Menschen hier waren heilfroh, mal rauszukommen und sich zu amüsieren. In der nächsten Stunde mussten sie möglichst viel trinken und sich sehr angeregt unterhalten, damit Colette ganz viele Angebote für die »stumme Auktion« einholen könnte. Die wunderbare Melissa hatte versprochen, dass das Essen gegen neun Uhr eintreffen würde. Sie hatte einen Bärenhunger.
Ach, fein! Da kamen die Farrs. Noch ein Triumph! Heute Abend hatte sie sich wirklich selbst übertroffen. Wie süß von ihnen, die kleine Runde mit ihrer Gesellschaft zu beehren. Sie drängte sich durch die Menge und eilte an Andys Seite. Vor dem Essen musste sie ihn noch ein wenig herumzeigen. Berühmtheit färbte schließlich ab. Sicher wollten ihn alle kennenlernen – da durfte sie keinen enttäuschen.
»Andy! Jen! Wie entzückend , dass ihr den weiten Weg auf euch genommen habt.«
Rachel war gerade erst gekommen, sehnte sich aber schon jetzt nach Ruhe, Frieden und einer einsamen Zigarette. Zwei Wochen war das Mason-Familiensystem nun schon in Kraft, Chris nahm die Kinder jetzt jedes zweite Wochenende und immer mittwochs, aber Rachel fühlte sich immer noch wackelig auf den Beinen – wie ein neugeborenes Fohlen. Das Letzte, wonach ihr der Sinn stand, war eine Riesenparty. Sie hatte vor, sich bedeckt zu halten und so schnell wie möglich wieder zu verschwinden. Als sie sich gerade in Richtung Ausgang schleichen wollte, stellte sich ihr ein fetter Kerl mit Schweißperlen auf der Oberlippe in den Weg. »Du musst Rachel sein«, keuchte er und nötigte ihr ein Glas auf. »Deborah meinte, ihre neue beste Freundin sei eine heiße Rothaarige. Ich habe dich sofort erkannt, schon als du reinkamst.« Unter einigem Japsen und großer Anstrengung hob er den schwabbeligen Arm, um ihr Champagner einzuschenken. »Ich bin Mark Green. Prost!« Sie ließen die Gläser klirren. »Und, was meinst du? Ist ja noch früh, aber bis jetzt scheint es zu funktionieren.«
»Hmmm!« Sie nahm einige Schlucke des edlen Gesöffs, während sie ihr Gegenüber genauer musterte. Nicht gerade der Mark Green, den sie sich vorgestellt hatte, und dem Oberarzt aus Emergency Room sah er auch nicht ähnlich. Selbst wenn dieser Typ es schaffen würde, sich ins Cockpit eines Privatjets zu quetschen, bliebe der Flieger bei seinem Gewicht garantiert am Boden. Warum mussten sich die Leute bloß immer so unpassende Partner aussuchen? Es war wirklich befremdlich. »Sieht richtig toll aus. Wirklich super, was ihr da auf die Beine gestellt habt. Die Leute von St. Ambrose wissen das echt zu schätzen. Ich war gerade auf dem Weg zu den …« Rachel zeigte auf die Zeltklappe, die zu den mobilen Toiletten führte.
»Nur zu. Wir sehen uns später.« Er watschelte davon, und Rachel duckte sich durch die Klappe ins Freie. Draußen regnete es so heftig, dass sie sich die Zigarette unter dem Vordach anzünden musste, wobei sie Georgina verfluchte, weil die sie wieder zum Rauchen verführt hatte. Andererseits, dachte sie, bin ich auch ziemlich im Stress. Ihr letzter Ausgehabend als Single hatte im letzten Jahrhundert stattgefunden. Sie blies den Rauch in die mondlose Nacht, als ihr von hinten eine riesige Pranke an den linken Oberschenkel grapschte. Sie hörte sich aufschreien.
»Sie sehen heute Abend zum Anbeißen aus, Mrs Mason.« Tony Stuart spähte ihr über die Schulter und blies ihr seine Alkoholfahne ins Gesicht. Den anderen Arm legte er ihr um die Taille, während er die Grapschhand auf ihren Hintern wandern ließ. Sie machte einen Satz zur Seite.
»Verpiss dich, Tony! Bist du pervers oder was?«
Er kicherte gutmütig. Das war sein einziger Pluspunkt, dachte
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