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Muttergefuehle

Muttergefuehle

Titel: Muttergefuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rike Drust
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mitteilte.
    Mein Sohn hat die Eingewöhnung schneller verkraftet als ich. Inzwischen fühlt er sich bei den Tageseltern so wohl, dass er manchmal gar nicht nach Hause will (damit muss ich auch erst mal klarkommen). Seitdem er dort ist, hat er in einem Affentempo gelernt, auch vieles, was ich ihm allein zu Hause nicht zugetraut hätte.
    Ich finde gut, dass sich nicht den ganzen Tag alles um ihn dreht, gerade weil er Einzelkind ist. Aber ich muss zugeben, dass es mich viel Überwindung gekostet hat, nichts zu unternehmen, als mein kleiner Sohn während der Eingewöhnung traurig am Tisch mit den Wasserbechern stand und ich verzweifelt dachte: »Merkt denn niemand, dass mein Hasenkind Durst hat?« Tatsächlich hat es niemand gemerkt, aber dafür hat mein Sohn bei den Tageseltern gelernt, dass er auf sich aufmerksam machen muss, wenn er etwas braucht, dass ihm nicht jeder Wunsch von den Augen abgelesen wird und dass Selbstständigkeit super ist.
    Für unsere Familie war die Lösung, das Kind im Alter von einem Jahr in Betreuung zu geben, genau die richtige. Es gibt Familien, die machen das aus verschiedensten Gründen viel eher, und es gibt Mütter, die bleiben viel länger mit ihren Kindern zu Hause. Und manchmal stelle ich mir vor, nein, manchmal wünsche ich mir sogar, mein Sohn wäre auch noch den ganzen Tag bei mir, und wir wären ein so eingespieltes, harmonisches Superteam wie meine Freundin und ihre Tochter. Aber für uns zwei funktioniert das nicht. Ihm ist es langweilig mit mir (oder wie soll ich es interpretieren, wenn er manchmal morgens seine Jacke holt und sich an die Haustür stellt?), und ich hätte ehrlich gesagt nicht die Kraft und Geduld für so viel Programm und Spaß und Tobeterror, dass er sich freuen würde, jeden Tag ausschließlich mit mir zu verbringen. Es geht nicht. Mein Kind braucht Alarm. Und ich kann viel mehr Mutter sein, wenn ich es zwischendurch mal nicht sein muss.
    Das habe ich in der Eingewöhnungszeit gemacht:
    • Ich habe mich mit Freundinnen ausgetauscht, die ungefähr im gleichen Zeitraum ihre Kinder eingewöhnten. Dadurch fühlte ich mich erstens nicht mehr so schäbig, das Kind »so früh« abzugeben, und zweitens in meiner Verzweiflung nicht so allein.
    • Ich habe geweint. Viel. Auf jeden Fall mehr als mein Kind.
    • Ich habe erst meiner Intuition und dann den Tageseltern vertraut. Bei den beiden wusste ich, dass mein Kind sich wohlfühlt, und konnte es deshalb leichter »allein« lassen.
    • Ich habe gelernt, wirklich genießen zu können, in der Zeit ohne ihn so viel zu schaffen (und das mache ich immer noch).
    Danke, ich schaffe das schon.
    Die Unfähigkeit, Hilfe anzunehmen.
    Verglichen mit jungen Müttern sind Ghandi, Jesus und Mutter Teresa eine Gruppe Komakids auf dem Weg zum Gangbang nach Lloret de Mar. Junge Mütter opfern sich nämlich komplett für ihre Neugeborenen auf. Wenn Schlafen nicht möglich und zum Essen keine Zeit ist, dann wird stattdessen, ohne mit der Wimper zu zucken, wochenlang auf dem Zahnfleisch gegangen. Hauptsache, alles wird allein bewältigt und geschafft. Ich zum Beispiel hätte mir eher die Zunge abgebissen, als um Hilfe zu fragen, obwohl ich mir auf dem Zahnfleisch schon Hornhaut gelaufen hatte.
    Erstens, weil ich befürchtete, dass sich die gebetene Person mit ihrer Unterstützung automatisch das Recht erwirbt, mir bei Kinderpflege und Muttersein reinzuquatschen, und ich schlaue Tipps und Bevormundungen noch weniger ertragen konnte als ein Kind, das stundenlang schreit. Zweitens, weil ich Angst hatte, dass mein Sohn jemand anderen toller findet als mich, schließlich könnte die pflegende Person es ja viel besser machen, viel geduldiger und liebevoller sein, und schon wäre ich aus dem Rennen, bevor ich überhaupt eine richtige Verbindung zu ihm aufgebaut hätte. Jeder Mensch, der entspannt oder routiniert mit meinem Kind umgegangen wäre, hätte mich nicht entlastet, sondern nur noch unsicherer und unentspannter gemacht. Ich wollte mir unbedingt beweisen, dass ich alles allein hinkriegen konnte.
    Inzwischen habe ich verstanden, dass eben nur ich seine Mama bin, egal, ob ich manchmal unsicher oder schlechter in etwas bin als andere, und ich kann toll finden, wenn er viele Menschen um sich hat, die ihn mögen. Was die schlauen Tipps angeht, habe ich mich ebenfalls entspannt, einerseits, weil sie mit zunehmendem Kindesalter weniger werden, und zweitens, weil ich immer besser auf Durchzug schalten kann, je mehr Selbstbewusstsein ich gewonnen

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