Muttergefuehle
wissen« und lästere danach ordentlich los. Ich hoffe, mir gelingt es in Zukunft öfters, ihnen direkt zu sagen, dass sie machen können, was sie wollen, dies aber auch allen anderen zugestehen sollten.
Ein Haus mit Garten, das wär’s (nicht)!
Die Verweigerung der Landflucht.
Wenn ich grob schätze, sind acht von zehn Müttern gedanklich damit beschäftigt, aufs Land zu ziehen, und die anderen beiden packen gerade ihre Umzugskisten. Warum wollen denn bloß alle immer weg aus der Stadt? Klar wäre es toll, wenn ich das Kind zum Spielen aus der Terrassentür schubsen könnte, aber in der eigenen Sandkiste würde er genauso wenig allein spielen wie in der auf dem Spielplatz um die Ecke.
Genau genommen ist der Garten der einzige Vorteil am Aufs-Land-Ziehen, wohingegen die Nachteile eine ziemlich lange Polonaise der Unerfreulichkeiten bilden: Ich könnte nicht mehr zu Fuß einkaufen, das Kind zu den Tageseltern bringen oder Freunde besuchen. Ich hätte keine so große Auswahl an Nachbarn, sondern müsste die nehmen, die links und rechts von mir neugierig aus dem Fenster glotzen. Es gäbe keine Cafés mit Hochstühlen, keine Kurse für Mutter und Kind, in denen ich lustige Mütter kennenlernen könnte, es gäbe keine Kinderbetreuung für meinen Sohn, bevor er drei ist, und dann auch nur bis 14 Uhr, und der Supermarkt würde auch spätestens um 18 Uhr schließen.
Ich habe eine Freundin, die auf dem Land wohnt. In den ersten Lebensmonaten ihres Kindes war für sie das Highlight des Tages der Gang zum Altglascontainer, danach hat sie quasi den restlichen Tag darauf gewartet, dass ihr Mann von der Arbeit kommt. Bei mir war das anders: Wenn sich bei mir der Lagerkoller einstellte, habe ich meine Freundin angerufen, wir haben zeitgleich unsere Kinder angezogen und sind uns entgegengegangen, um fünf Minuten später gemeinsam Milchkaffee zu trinken, auf dem Spielplatz rumzuhängen oder bei Budni Windeln zu kaufen. Ja, unsere zentrale Wohnlage hat mich diverse Male vor einem Nervenzusammenbruch bewahrt.
Nein, ich könnte nicht so einsam auf dem Land wohnen. Der Mann zum Glück auch nicht. Wir sind beide froh darüber, unsere Wochenenden nicht mit Hausbesichtigungen im Umland oder mit dem Durchforsten von Internetseiten und Zeitungen zu verbringen. Während andere also das perfekte Domizil auf dem Land suchen oder umbauen, haben wir die für uns perfekte Lösung bereits gefunden. Wir wohnen in der Stadt, und weil es da so schrecklich gefährlich und ungrün ist, haben wir zusätzlich einen Schrebergarten und somit das Beste aus zwei Welten. Wenn das Wetter schön ist, sind wir im Garten, springen durchs Plantschbecken, bauen Gemüse an, grillen und übernachten in unserer kleinen hutzligen Laube. Ist das Wetter schlecht, bleiben wir zu Hause und machen es uns gemütlich oder unternehmen irgendwas, schließlich haben wir in der Stadt Tausende von Möglichkeiten.
Ich habe meine Kindheit auf dem Land verbracht, und das war selbstverständlich toll. Wir hatten Tiere und viel Platz und einen eigenen Bolzplatz und konnten den ganzen Tag draußen spielen. Aber ungefährlicher als in der Stadt war es dort auch nicht, schließlich lag unser Bauernhof direkt an einer Kreisstraße, auf der sich regelmäßig Auto- und Motorradfahrer um Bäume und Stacheldrahtzäune gewickelt haben. Wenn ich mit dem Fahrrad zu meiner besten Freundin gefahren bin, war das wahrscheinlich riskanter, als meinen Sohn in unserer Straße Brötchen holen zu schicken. Außerdem ist es vielleicht für kleine Kinder schön und bereichernd, auf dem Land zu wohnen, aber je älter sie werden, desto blöder wird es doch. Ich kann mich noch genau erinnern, wie mich meine Kleinstadt-MitschülerInnen als Bauernkind verarscht und gemieden haben, die fanden nämlich gar nicht cool, dass ich immer draußen spielen konnte. Vielmehr fanden sie, dass ich nach Bauernhof rieche, und damit meinten sie nicht den romantischen Duft von politisch korrektem, schickem Öko-Hof, sondern das uncoole Œvre von Silo und Gülle. Als ich elf war, zogen wir in eine Kleinstadt, aber viele, die am Arsch der Welt ihre Pubertät verlebt haben, fanden es ziemlich dämlich, weil es am Arsch der Welt blöderweise kaum Fußgängerzonen zum Rumhängen gibt, man selten mehr als zwei andere Teenager trifft oder heimlich Alkohol kaufen kann.
Und wenn ich an die Pubertät meines Sohnes denke, ist die Entscheidung, in der Stadt wohnen zu bleiben, doch wohl alles andere als egoistisch. Klar werde ich
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