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Muttergefuehle

Muttergefuehle

Titel: Muttergefuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rike Drust
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Rechtfertigungen blöd und überflüssig finde.
    • Komme ich im Gespräch auf »gefährliche« Themen wie Stillen, frage ich die Gesprächspartnerinnen sofort, ob sie bei diesen Themen auch so angespannt sind und denken, sich für ihren eigenen Weg rechtfertigen zu müssen.
    • Werde ich gemaßregelt, lasse ich mich nicht auf ein dogmatisches Gespräch ein, sondern sage: »Eine Mutter macht es richtig, wenn es sich für sie richtig anfühlt.«
    • Wenn ich die Methoden einer Mutter rätselhaft finde, sage ich nichts und runzle auch nicht die Stirn, sondern wiederhole im Geiste immer wieder: »Sie macht es nicht falsch, nur anders.«
    Aber er ist doch noch so klein.
    Die Schuldgefühle, weil das Kind in die Krippe kommt.
    Das erste halbe Jahr konnte ich nicht einmal darüber nachdenken. Meinen Sohn in andere Hände zu geben, schien mir absolut unmöglich. Dabei war ich davon ausgegangen, dass ich schnell wieder arbeiten will, zumal ich ja in meiner Rolle als Vollzeitmutter nicht vollständig aufgegangen bin. Ich habe mir ein paar Kitas angeguckt, in denen mir stets das Gleiche gesagt wurde: »Wir haben keinen Platz, aber melden uns, wenn wir was haben.« Erst hat mir diese ungenaue Ansage völlig gereicht, dann mein Status als Vollzeit-Mutter. Als mein Sohn ein Jahr alt war, wurde uns beiden langweilig. Er war genervt, weil so wenig passierte, und ich war genervt von seinem Genervtsein. Kurzerhand suchte ich eine Tagesmutter oder einen Tagesvater für ihn. Als ich mir die erste Frau anguckte, war ich verunsichert. Sie hat sich grundsätzlich geweigert, mit den Kindern nach draußen zu gehen, das Spielzeug war verranzt, und sie sprach in einem Grundton, der beleidigt und genervt klang. War ich jetzt gluckig, oder war diese Frau wirklich eine frustrierte Kinderhasserin? Erwarte ich zu viel, wenn ich mir eine fröhliche, optimistische Person für meinen Sohn wünsche? Die Antwort, ein klares Nein, bekam ich indirekt von den Personen, die die Tageseltern meines Sohnes werden sollten. Als ich vor deren Laden stand, dachte ich nur: »Nee, geht gar nicht.« Der Zusammenschluss von zwei Tageseltern, die gemeinsam in einem angemieteten Laden Kinder betreuten, existierte zu der Zeit erst wenige Wochen. Es sah etwas chaotisch aus und war noch ziemlich notdürftig eingerichtet. Eine Wand war noch nicht gestrichen. Obwohl ich mir den Unterbringungsort für mein kleines Superkind so nicht vorgestellt hatte, habe ich sofort zugesagt. Weil wir in den Raum kamen, mein Sohn sich nur kurz umguckte, sich dann sofort von der Tagesmutter die Jacke ausziehen ließ und anfing zu spielen. Meine Intuition sagte mir, dass am Ort vielleicht noch geschraubt werden konnte, aber die Menschen die Richtigen für ihn sein würden.
    Eine Woche später ging die Eingewöhnung los. Und mit ihr kamen die Zweifel. Ist es egoistisch von mir, wieder arbeiten zu wollen, obwohl ich nicht unbedingt müsste? Kann ich verkraften, dass er eine andere Bezugsperson hat als mich? Schaffe ich, mich nicht ständig einzumischen? Packe ich es, wenn er beim Abschied weint? Sind die Tageseltern wirklich die Richtigen? Woher will ich eigentlich so genau wissen, dass sie nicht im Keller Nacktfotos von den Kindern machen und im Internet verkaufen? Ist er nicht doch noch zu klein?
    Penibelst observierte ich sein Ess-, Schlaf- und sonstiges Verhalten während der Eingewöhnung. Tagsüber war alles super, aber, tatsächlich, er schlief nachts schlecht. Ich wurde noch unsicherer. Sollte ich das Projekt abbrechen und ihm noch mehr Zeit geben? War ich zu egoistisch, schließlich war er ja quasi gerade erst geboren? Oder hatte sein schlechtes Schlafverhalten vielleicht gar nichts mit der Eingewöhnung zu tun? Die Tageseltern und die anderen Eltern haben mich ein bisschen beruhigt, und wir machten weiter.
    Die ersten Male, die ich ihn dort allein gelassen habe, liefen immer gleich ab: Der Tagesvater stand mit dem weinenden Sohn am Fenster. Ich stand draußen und winkte. Dabei gab ich mir die größte Mühe, besonders fröhlich und ausgelassen rüberzukommen, war dabei aber ungefähr so glaubwürdig wie ein Pornodarsteller in der schauspielerischen Einleitung. Sobald ich außer Sichtweite war, verlor ich Fassung wie Körperspannung und brach in Tränen aus. Wie konnte ich nur so egoistisch sein und meinem kleinen Kind das zumuten? Ich setze mich in ein Café und weinte immer noch, als der Sohn schon wieder fröhlich spielte, wie der Tagesvater mir am Telefon lässig

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