Muttergefuehle
gründlich sauber mache, und bieten mir auf dem Spielplatz immer wieder verzweifelt Feuchttücher für ihn an. Einmal hat mich dort sogar eine Mutter zur Seite geschubst, um mein (!) Kind davon abzuhalten, die Banane zu essen, die vorher in den Sand gefallen war. Ja, wenn es um Kinder geht, hört der Spaß auf. Dinkelstange oder Butterkeks, Globuli oder Fieberzäpfchen, Anbrüllen oder Weglächeln, der Perfektionsdruck macht jede Frage zur Grundsatzentscheidung. Jede Mutter, die es anders macht, wird angeglotzt und abgeurteilt. Das mache ich leider auch oft so. Ich lästere über die, die ihr Kind stillt, bis es in die Schule kommt, oder mache mich über die lustig, die mit ihrem Kind auf dem Spielplatz frühfördernd Englisch spricht und sich dabei anhört wie Lothar Matthäus.
Dieses Lästern kann sehr amüsant und hilfreich sein. Je dümmer ich die andere Mutter dastehen lasse, desto perfekter fühle ich mich schließlich. Das stärkt zwar kurzfristig mein Selbstbewusstsein, macht aber leider meine Art der Kindererziehung nicht richtiger. Überhaupt gibt es kein Richtig, sondern eben immer nur ein Anders.
Es ist doch furchtbar, wenn auf dem Spielplatz nur die Mütter miteinander reden, die sich schon kennen, und sich auf alle anderen stürzen, die das kleinste Fehl- beziehungsweise Andersverhalten zeigen. Vor einiger Zeit bekam ein Kind auf einem Spielplatz einen üblen Wutanfall. Ich saß, genau wie die anderen Mütter, einfach nur da, starrte oberschlau die Situation an und urteilte, dass die Mutter nicht richtig damit umging. Inzwischen ist mir mein Verhalten peinlich. Wer war ich denn, dass ich meinte, mich über die Situation stellen zu können? Weder kannte ich Mutter und Kind, noch wusste ich, was gerade vorgefallen war, geschweige denn irgendetwas über die Familie.
Bei aller Verschiedenheit sollten wir Mütter doch lieber zusammenhalten und uns nicht das Leben noch extra schwer machen. Warum auch? Staat, Gesellschaft und das gesamte Umfeld kriegen das doch prima allein hin. Ich werde zur Rabenmutter gemacht, weil ich wieder arbeiten will. Das Arbeiten geht aber kaum, weil in meiner Branche halbtags arbeiten ungefähr so praktikabel ist, wie ohne Arme zu flippern. Weil ich mein Kind trotzdem nur halbtags in Betreuung geben möchte, bin ich plötzlich eine Glucke. Und so weiter. Ich finde, es gibt für uns Mütter schon so viele Schwierigkeiten, dass wir uns untereinander so wenige wie möglich machen sollten. Damit ist nicht gemeint, dass wir uns alle verständnisvoll in die Arme fallen und uns grundsätzlich total okay finden sollen. Aber es wäre doch was, wenn ich beim nächsten Mal der Mutter mit dem Wutkind ein aufmunterndes Lächeln schenke und mein Sohn ohne Feuchttücher und fremde Spuckefinger seine Banane mit Sandpanade essen kann.
So gehe ich mit Anderserziehenden um:
• Ich versuche, nicht zu glotzen, sondern zu lächeln.
• Ich sage mir: Sie machen es nicht falsch, nur ANDERS .
• Ich verschiebe das Lästern auf später. Erst am Abend berichte ich dem Mann über die anderen Methoden. Das schweißt zusammen, und damit klopfen wir gleichzeitig ab, ob wir in Erziehungsfragen noch konform gehen.
• Ich mache einen Witz. Über die anderen Eltern oder, noch besser, über mich selbst.
• Sind Eltern unterschiedlicher Meinung auf einem Haufen, spreche ich konfliktreiche Themen gleich an, und wir beschließen gemeinsam, wie wir reagieren, zum Beispiel, wenn die Kinder sich streiten, oder ob sie Schnuller, Trinkflaschen etc. tauschen dürfen.
• Machen Eltern etwas anders als ich, frage ich nach. Und ganz oft gibt es, statt Zündstoff für die Lästerstunde am Abend, spannende Tipps, auf die ich selbst nie gekommen wäre.
Lass mal, ich mach das eben.
Die Erschöpfung, weil bei Mama alles schneller geht.
Eigentlich wollte ich mit diesem Text meinem Mann einen Arschtritt verpassen. Weil ich das Gefühl habe, dass ich ständig »Lass mal, ich mach das schon« sage. Und im ersten Jahr war das tatsächlich so, allerdings nicht, weil der Mann sich drücken wollte:
Ich war ein ganzes Jahr mit dem Kind zu Hause und aufgrund meiner Erfahrung quasi schon zur Geschäftsführerin befördert worden, während der Mann auf dem Gebiet Kinderpflege und -erziehung noch Praktikantenstatus hatte. Er gab sich Mühe, aber ich konnte nicht nur besser stillen, sondern auch schneller wickeln und anziehen. Und wenn ich die Wickeltasche vielleicht nicht schneller packen konnte, dann auf jeden Fall
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