Muttergefuehle
Kinder in Not. Mir ist es wichtig, dass ich nicht nur das Kind, sondern auch die Welt, in die ich es gesetzt habe, mit Respekt behandle. Schließlich will ich, dass das Kind und bestenfalls sogar seine Kindeskinder noch wie normale Menschen auf dieser Erde leben können. Wir könnten noch viel mehr tun, schließlich essen wir immer noch Fleisch, kaufen Plastikspielzeug, auch welches aus China, und schnallen unserem Junior Wegwerfwindeln um. Aber trotzdem verhalte ich mich im Vergleich zu früher so vorbildlich, dass ich stündlich damit rechne, Christian Wulff kommt vorbei, um mir das Bundesverdienstkreuz umzuhängen.
Dass das Kind aus mir einen sozialeren, umweltbewussteren, gesünderen Menschen mit mehr Zivilcourage gemacht hat, lässt mich selbst ein wenig mit den Augen rollen, weil das ja automatisch nach Liegeradfahren und Barfußtanzen klingt. Aber solange ich noch über Schnapsflaschen, pöbelnde Jugendliche und Hundehaufen steigen kann, ohne gleich eine Bürgerwehr zu gründen, bin ich mit mir und meiner Veränderung zufrieden.
Worauf ich beim Veränderungsprozess aber durchaus hätte verzichten können, ist die Tatsache, dass ich jetzt ständig heulen muss. Und zwar nicht nur bei schlimmen Nachrichten, die mit Kindern zu tun haben. Ich heule im Fußballstadion, wenn die Einlaufkinder kommen, wenn ein kleiner Junge seine Eltern verloren hat oder wenn ich »Greys Anatomy« gucke, obwohl ich schon seit zwei Staffeln ausgestiegen bin. Vor Kurzem kamen mir sogar bei »Gute Zeiten, Schlechte Zeiten« die Tränen, weil die Mutter von Lucy mit ihr nach Tokio fliegt. Nein, diese Nachricht ist auch nicht ergreifender, wenn man die Serie regelmäßig sieht.
Dieses Geheule ist mir so peinlich, dass ich regelmäßig versuche, es zu verstecken, sogar vor dem Mann. Und wenn er fragt »Weinst du etwa?«, schüttle ich den Kopf und antworte zickig: »Über so einen Quatsch, oder was? Das ist ja wohl nicht dein Ernst.« Wobei ich mit dem letzten Satz eigentlich mich selbst meine.
So will ich als neuer Mensch sein:
• Umweltbewusst: Ich habe Ökostrom von Greenpeace Energy, da ist der Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien. Ich kaufe regionale Produkte, wenn’s geht, Bio, ich fliege maximal einmal im Jahr, ich trenne meinen Müll.
• Sozial engagiert: Wir bringen ausrangierte Kleidung und Spielzeug unseres Sohnes zu Organisationen, die sie an bedürftige Familien weitergeben. Und wir spenden, zum Beispiel an den Rote Nasen e. V. oder in akuten Fällen wie zum Beispiel Naturkatastrophen.
So nicht:
• Kein Gutmensch: Wenn ich mich dabei ertappe, andere zu maßregeln, höre ich sofort auf. Keiner muss so leben wie ich, nur weil es für mich richtig ist.
• Keine Heulsuse: Ich will nicht immer weinen müssen. Aber ich kann nichts dagegen tun. Inzwischen kann ich zumindest so heimlich gerührt sein, dass manchmal sogar der Mann nichts merkt.
Ich sah auch schon mal besser aus.
Die Plage der mütterlichen Figur.
Als ich hochschwanger war, fand ich mich trotz zwanzig Kilo Gewichtszunahme gar nicht besonders dick. Das sollte sich aber als eine optische Täuschung herausstellen, denn mein gigantischer Bauch hatte alles andere an meinem Körper einfach viel kleiner aussehen lassen. Nach der Geburt wurde dies sehr schnell deutlich. Das Kind war zwar raus, aber der Bauch immer noch so groß, dass es seinen Rucksack darin vergessen haben musste. Und gegen meine gigantischen Brüste, die nach dem Milcheinschuss in den Genuss einer weiteren Gratisvergrößerung kamen, sahen die von Lollo Ferrari aus wie ein müdes B-Körbchen.
Alles an meinem Körper war weich und ziemlich groß.
Erstaunlich, dass mich das gar nicht so sehr gestört hat, denn vorher war ich ziemlich eitel; ich bin sogar nur unter der Bedingung schwanger geworden, dass ich eine Schönheits-OP bekomme, wenn ich nach Geburt und Stillen mit meinen Brüsten unglücklich bin. Und würde ich mich mit dem Maß messen, das ich vor der Schwangerschaft angelegt habe, wäre diese OP wahrscheinlich dringend notwendig. Aber erstaunlicherweise bin ich jetzt nur noch phasenweise kritisch. An solchen Tagen finde ich meinen Körper schrecklich und gucke mir frustriert Fotos vom letzten Urlaub vor der Schwangerschaft an, auf denen ich im Bikini am Strand herumpose. Ich kann kaum glauben, dass ich mal so aussah und mich trotzdem zu dick fand. Als meine Freundin, damals schon Mutter, diese Urlaubsfotos anguckte, meinte sie ganz nüchtern: »Das wirst du nach ’nem Kind
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