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Muttergefuehle

Muttergefuehle

Titel: Muttergefuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rike Drust
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lauter Wut nicht mehr nachvollziehen, dass die Eltern vielleicht selbst Opfer sind, sondern sehe nur die enttäuschten, ratlosen, leidenden Augen der Kinder vor mir, die vernachlässigt oder geschlagen werden, und bin plötzlich Fan von Selbstjustiz und fordere die schlimmsten Folterstrafen für Kinderschänder. Erst recht, weil ich mir – drittens – immer automatisch vorstellen muss, dass es sich bei den Vernachlässigten, Misshandelten oder Getöteten um mein eigenes Kind handelt. Den Gedanken, dass ihm so etwas Schlimmes wie Gewalt oder schwere Krankheit zustößt, kann ich gar nicht bis zu Ende zulassen, sonst würde ich nämlich durchdrehen. Wenn ich mir ausmale, dass ihm etwas Furchtbares passiert, schnürt es mir die Luft ab, ich werde panisch, und in meiner letzten Gedankensequenz springe ich aus Verzweiflung immer von unserem Balkon im fünften Stock.
    Auch wenn es in anderen Bereichen hilfreich sein mag, mit dem Schlimmsten zu rechnen, bringt mir das in diesem Fall überhaupt nichts. Denn obwohl ich weiß, dass es Menschen gibt, die Kindern Furchtbares antun, dass Kinder ohne triftigen Grund krank werden und manchmal sterben, dass auch mein Kind nicht vor Krankheit oder Verbrechen gefeit ist, muss ich diese quälenden Nachrichten und Gedanken immer sofort beiseiteschieben – oder immer wieder aufs Neue vom Balkon springen.
    Was ich tue, wenn ich etwas Entsetzliches lese oder denke:
    • Ich lege die Zeitung weg, schalte um oder bitte gegebenenfalls darum, das Gesprächsthema zu wechseln.
    • Ich nehme meinen Sohn in den Arm und knutsche ihn so lange, wie er es zulässt.
    • Ich spende für Krankenhausclowns und Projekte, die sich um Kinder sowie überforderte Mütter/Eltern kümmern.
    • Ich bin in der Stammzellen-Spenderdatei eingetragen und hoffe, dass mein Rückenmark irgendwann helfen kann.
    Lass ihn mitspielen oder ich hau dich.
    Die Leidenschaft einer Löwenmutter.
    Ich habe mich mit einer Vierjährigen um eine Schaufel gestritten. Weil sie mit dem Sandspielzeug meines Sohnes gespielt hat, aber ihr eigenes nicht mit ihm teilen wollte. Mein kleiner Sohn schaltete mich mit seinem großen, traurigen Mach-was-Blick in den Löwenmutter-Modus. »Nicht mit mir, Frollein«, habe ich sofort gedacht, »wenn du nicht abgibst, gibst du gefälligst auch sein Spielzeug wieder her.« Nachdem sie meiner Aufforderung nicht Folge leisten wollte, zogen wir von beiden Seiten an Juniors Schaufel. Ich zischte »ich lasse nicht zuerst los«, und funkelte sie dabei wütend an. Irritiert ließ die Kleine zuerst los und rannte zu ihrer Mutter, die zum Glück nicht so drauf war wie ich.
    Das ist ziemlich peinlich, ich weiß. Und es wird zwar nicht besser, aber dafür lustiger, wenn ich schreibe, dass dem Mann das auch schon passiert ist. Er wollte mit unserem Sohn auf dem Spielplatz schaukeln, als ein rosa Mädchen zickte: »Der darf hier nicht schaukeln, die Schaukel gehört So-fi-a.« Er setzte den Sohn auf die Schaukel und zickte zurück: »Nee, die Schaukel gehört nicht Sofia, sondern der Sta-hadt!«
    Inzwischen habe ich mich glücklicherweise etwas entspannt und schaffe es immer häufiger, so lange nicht in die Streitigkeiten der Kinder einzugreifen, bis sie sich bleibende körperliche Schäden zufügen würden, auch wenn es mir ziemlich schwerfällt. Ich könnte zum Beispiel auf der Stelle weinen und fuchsteufelswild um mich treten, wenn ich mir ausmale, dass irgendwann die großen Jungs im Hinterhof meinen Kleinen wegschicken, weil sie nicht mit »Babys« spielen, und mein kleiner Junge mit großen, ratlosen, traurigen Augen allein auf dem Hof steht. »Wer meinem Sohn das Herz bricht, dem breche ich die Arme«, möchte ich allen drohen. Aber natürlich weiß ich, dass dies Situationen sind, die er aushalten muss, und natürlich würde ich niemals unseren Nachbarskindern die Knochen brechen. Beim Handwerker, der bei den Tageseltern etwas reparieren sollte und stattdessen meinem krabbelnden Kind so die Eingangstür über die Hand gezogen hat, dass es einen Fingernagel verlor, war ich allerdings kurz davor. Klar konnte der Mann nichts dafür, schließlich konnte er das Kind von draußen nicht sehen, aber trotzdem hätte ich am liebsten seine Kniescheibe mit einem Hammer zertrümmert oder mit einer rostigen Kneifzange jeden einzelnen seiner Fingernägel gezogen. Halbwegs erwachsen habe ich es bei einem hasserfüllten »Sie haben meinem Kind wehgetan!« belassen.
    Ja, ich sehe dunkelrot, wenn mein Kind schlecht

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