Muttergefuehle
knicken können.« Und sie hatte recht. Ich sehe nicht aus wie vorher. Alles ist weicher, die Haut am Bauch sieht manchmal aus, als wäre sie ein bisschen zu groß. Die Kaiserschnittnarbe ist zu stramm genäht und wird nur langsam blasser. Das ist zwar absolut nicht makellos, aber eine Erinnerung an die extremste Erfahrung meines Lebens, und dass es eine so deutlich sichtbare Erinnerung ist, gefällt mir sogar.
Mir ist keineswegs egal, wie ich aussehe, ich habe nur endlich das Interesse daran verloren, perfekt sein zu wollen. Mein Körper soll eher sehr lange in einem so guten Zustand bleiben, dass ich auch als alte Frau noch meinen Urlaubskoffer tragen und meine Füße sehen kann.
Ich sehe also nicht perfekt, sondern ganz normal aus. Manches an mir mag ich, und manches finde ich blöd, zum Beispiel meine Nasolabialfalten oder die immer stärker werdende Verbindung meines Körpers mit der Schwerkraft. Aber eigentlich habe ich keinen Grund, mich zu beschweren, und lasse es deshalb auch meistens. Erst recht, wenn ich mit anderen Müttern zusammen bin, die stärker mit den körperlichen Überresten der Schwangerschaft zu kämpfen haben als ich. Weil ich das gemein und rücksichtslos finde. Das erinnert mich an die blöden Streber in der Schule, die nach der Klassenarbeit gejammert haben, sie hätten bestimmt eine Sechs, und dann »total überrascht« waren, dass es eine Eins war. Zwei solche Kandidatinnen hatte ich bei der Rückbildung. Die eine hatte zehn Wochen nach der Geburt eine Figur wie Kate Moss, die andere sah aus wie ein Model, und beide haben inmitten von uns weichen, übergewichtigen Frauen pausenlos über ihren Bauchspeck gejammert. Erst habe ich ihnen Haarspliss und Schreikinder gewünscht, aber schließlich habe ich festgestellt, dass die Welt auch so gerecht ist: Die beiden sahen vielleicht top aus, aber sie hatten den gleichen Unterhaltungswert wie Serviettentechnik. Und gerade im ersten Jahr mit Kind hätte ich meinen Humor für nichts gegen einen schöneren Körper eingetauscht. Denn ich bezweifle, dass ein flacher Bauch jemals eine anstrengende Nacht mit einem zahnenden Kind einfacher gemacht hätte.
Was mache ich, wenn ich mich zu fett und zu alt finde:
• Ich gehe zum Sport. Wenn ich ein- bis zweimal da war, fühle ich mich meistens gleich viel wohler in meiner Haut.
• Ich jammere meinem Mann die Ohren voll. Der sagt dann, dass er mich toll findet, und ich merke, dass er es genau so meint.
• Ich versuche, so wenig wie möglich darüber nachzudenken, denn irgendwann habe ich ohnehin wieder so viel um die Ohren, dass das Thema in den Hintergrund gerät.
• Ich ignoriere, dass ich die neue Jeans eine Nummer größer gekauft habe, und genieße lieber ihren lockeren Sitz.
• Ich sage mir, dass sich alles immer ausgleicht. Dann überlege ich, was ich habe, das die von außen makellosen Frauen nicht haben. Irgendwas findet sich eigentlich immer.
Mach das sofort aus!!!
Das Entsetzen bei schlechten Nachrichten über Kinder.
Es ist nicht so, dass ich vor meinem Kind ein ignoranter Eisklotz war. Aber seit seiner Geburt schaudert es mich nicht mehr nur bei Nachrichten über misshandelte oder kranke Kinder – ich kann sie schlichtweg nicht mehr aushalten. Berichte darüber sorgen bei mir dafür, dass meine Haut wehtut und ich in den meisten Fällen auch gleich anfangen muss zu weinen. Dabei habe ich noch hochschwanger einen Film gesehen, in dem ein Baby aus dem Bauch seiner Mutter geschnitten wurde, und nicht einmal mit der Wimper gezuckt. Jetzt muss ich Filme, in denen Kindern etwas passiert, wegschalten, und wenn ich zufällig in etwas reinzappe, das ein Kind in Gefahr zeigt, muss ich so lange weitergucken, bis alles wieder gut ist, ganz egal, wie schlecht der Film ist. Aus drei Gründen werde ich wahnsinnig bei diesem Thema. Erstens finde ich es furchtbar und ungerecht, dass einem kleinen Menschen, der noch nie jemand anderem etwas zuleide getan hat, Schlimmes passieren muss. Der Sohn von Freunden, der nur wenig älter ist als meiner zum Beispiel, hat Leukämie. Warum, verdammt? Jeden Tag denke ich an ihn und fühle mich schäbig, wenn ich den Gedanken an ihn wieder verdrängen muss, schließlich können seine tapferen Eltern das nicht, sie haben jede Sekunde Angst um ihr Kind.
Zweitens werde ich zum Tier, wenn ich darüber nachdenke, dass Eltern körperlichen oder psychischen Schaden für ihr Kind sorglos in Kauf nehmen, ja, ihn sogar selbst mit Absicht herbeiführen. Dann kann ich vor
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