Mutterliebst (German Edition)

möchte eine Liste aller Medikamente, die Max bekommt – die genaue Dosierung, wie oft er die Medikamente erhält und welche Nebenwirkungen sie haben können.“
    Fastow wirft ihr einen nichtssagenden Blick zu. „Natürlich. Ich bin sicher, dass Sie die meisten Medikamente kennen, auch wenn die Mischung etwas anders sein mag.“
    Plötzlich hat sie eine Idee. Sie schaut den Arzt mit festem Blick an. „Sie geben ihm doch keine experimentellen Medikamente, oder?“
    Fastows Augenbrauen – fette, hässliche Raupen – formen umgedrehte U’s und bleiben genau so. „Absolut nicht. Sie stellen doch sicherlich nicht meine Ethik als Arzt infrage …“
    Reyes-Moreno geht dazwischen. Ihre Stimme klingt wie Samt und Seide. „Wenn wir eine kollektive Diagnose gestellt haben, werde ich sofort ein Treffen mit Ihnen vereinbaren.“
    „Ich werde da sein.“ Danielle wendet sich an Fastow. „Sie auch?“
    Fastow und Reyes-Moreno blicken sich an. Der Arzt erhebt sich langsam, ein arrogantes Lächeln auf den Lippen. „Ich bin sicher, dass wir eine Möglichkeit zum Gespräch haben werden, sollten Dr. Reyes-Morenos Erklärungen ihren Ängsten und Sorgen nicht gerecht werden.“ Er streckt ihr seine knochige Hand entgegen.
    „Darauf werde ich zurückkommen.“
    Fastow schenkt ihr einen weiteren anmaßenden Blick, dann verschwindet er. Danielle würde ihn am liebsten in den Raum zurückzerren und ihm sagen, was für ein überhebliches Arschloch er ist, doch sie lässt es bleiben. Er ist nicht der einzige Egomane unter den Ärzten, der glaubt – nein, der weiß –, dass er Gott ist. Einer Gottheit zu sagen, dass sie auch nur sterblich ist, ist vollkommen zwecklos. Sie will bereits aufstehen, da hat sie eine Erkenntnis. Vielleicht verabscheut sie Fastow deshalb so sehr, weil sie sich wünscht, in ihm den Feind zu sehen. Wenn er Max irgendwelche verrückten Medikamente verabreicht – wenn er ihn überdosiert –, dann stimmt Reyes-Morenos Behauptung, dass Max psychotische Schübe hat, einfach nicht. Danielle weiß genug über diese Art Medikamente, dass ihr bewusst ist, welche verheerenden Wechselwirkungen die Präparate haben können – zumal wenn sie in einer unerprobten Mischung gegeben werden. Doch wenn Fastow wirklich ein solches Genie ist …
    Danielle kämpft gegen die Panik, die erneut von ihr Besitz zu ergreifen droht. Max kann nicht verrückt sein. Ein schwacher Funke Hoffnung glimmt auf. Vielleicht weiß das Krankenhaus nicht alles über Fastow, was es zu wissen gibt, selbst wenn sie davon überzeugt sind, umfassende Erkundigungen eingezogen zu haben. Sie wird Georgia bitten, ihn zu überprüfen. Was kann es schon schaden? Sie wendet sich an Reyes-Moreno. „Kann ich Max sehen?“
    Die Ärztin zuckt die Schultern. „Ich habe es doch schon gesagt – er schläft tief und fest. Aber wenn Sie darauf bestehen, dann halten Sie Ihren Besuch bitte kurz. Wir wollen ihn nicht aufregen.“
    Danielle beißt sich auf die Zunge, während Reyes-Moreno den Gang hinunter entschwindet. „Nein“, murmelt sie, „das wollen wir natürlich nicht. Ein Besuch von seiner Mutter – das würde wirklich jeden aufregen. Aber ihm eine Überdosis zu geben ist völlig in Ordnung – kein Problem.“

12. KAPITEL
    Heute ist der große Tag.
    Offensichtlich hat das Ärzteteam endlich zu einer kollektiven Diagnose gefunden. Die letzte Woche ist ohne weiteren Vorfall vorübergegangen – zumindest scheint nichts passiert zu sein, das man ihr hätte erzählen müssen. Max macht den Eindruck, dass es ihm viel besser geht. In vielerlei Hinsicht ist sein eigentliches, freundliches Naturell zurückgekehrt. Es gab keine gewalttätigen Ausbrüche mehr, und er hat sich nicht gegen die Fortsetzung der Untersuchungen gewehrt. Tatsächlich hat sich sein Verhalten so stark gebessert, dass Reyes-Moreno die Tests abschließen und die Diagnosefindung beenden konnte. Auch wenn er manchmal furchtbar sediert und orientierungslos wirkt, vermutet Danielle, dass Fastow endlich die Kurve gekriegt und die richtige Medikamentenmischung gefunden hat. Georgia, die seinen Hintergrund überprüft hat, hat nichts Ungewöhnliches finden können. Genau genommen haben die Recherchen nur bestätigt, dass es sich bei Fastow um einen herausragenden und kreativen Arzt handelt. Auch wenn Danielles persönliche Antipathie gegen ihn nicht kleiner geworden ist, scheint Fastow Max’ Medikation optimal eingestellt zu haben.
    Danielle folgt einem Pfad durch den Irrgarten weißer Fußwege