Mutterliebst (German Edition)
zum Verwaltungsgebäude. Sie schaut hoch. Der Himmel ist von einem geradezu stechenden, hypnotischen Kobaltblau. Es wärmt ihr Herz und erfüllt sie mit Zuversicht.
„Miss Parkman, würden Sie bitte mit mir kommen?“ Reyes-Morenos Sekretärin Celia begrüßt sie mit einem kurzen Handschlag. Sie wacht wie ein trainierter Dobermann über ihre Chefin. Wenn Danielle anruft, sagt sie nie offen, ob Reyes-Moreno da ist oder nicht – bei ihr klingt es immer so, als wäre die Ärztin gerade auf Toilette oder in einer Sitzung. Psychiater müssen urheberrechtlich geschützte Trainingssoftware für ihre Mitarbeiter haben. Sie sind alle gleich.
Danielle folgt ihr den Gang hinunter, in dem sich die Büros der Psychiater befinden. Celia wirkt glücklich. Sie würde doch sicher nicht lächeln, wenn Danielle gleich schlechte Nachrichten erfahren würde, oder? Die Sekretärin führt sie in Reyes-Morenos inneres Heiligtum. Es ist kleiner, als Danielle erwartet hat, vor allem mit der obligatorischen Couch und dem Drehstuhl darin. Spielzeug steht aufgereiht auf mehreren Regalen. Danielle greift nach einem und dreht es in ihren Händen. Dabei fragt sie sich, ob jedes Spielzeug in psychiatrischer Hinsicht eine besondere Aussagekraft besitzt. Was Max wohl in diesem Zimmer gesagt und getan hat?
Reyes-Morenos Diplome und ärztliche Urkunden hängen in dicken, schwarzen Bilderrahmen. Ein Diplom vom Grundstudium in Pasadena, Kalifornien. Was, mehr nicht? Hat nicht jeder, der die höheren Weihen erhalten hat, in Stanford oder Yale studiert? Oder zumindest an der UCLA? Danielles Herz schlägt schneller, als sie auf die anderen Zeugnisse späht, die an der Wand hängen. Na also, da ist es ja – die medizinische Fakultät von Harvard. Sie ist erleichtert. Nicht dass sie etwas gegen Pasadena gehabt hätte, aber guter Gott, wenn man Spitzensätze zahlt, dann will man dafür auch Spitzenleute bekommen.
Danielle lässt sich auf einen der beiden Korbsessel nieder, die speziell für Gespräche mit Eltern vorgesehen zu sein scheinen. Genau wie sie selbst wirken sie völlig fehl am Platz. Sie denkt an Tony und wünscht sich, sie hätte ihn noch einmal sehen können. Nachdem sie das Dinner abgesagt hatte, hat er ihr eine Nachricht an der Rezeption hinterlassen. Er hatte nach Des Moines zurückkehren müssen. Er hat seine Handynummer mit aufgeschrieben, doch sie hat ihn nicht angerufen. Im Moment ist ihr Leben viel zu unsicher, als dass sie eine weitere Verkomplizierung gebrauchen könnte. Dennoch verwahrt sie die Nachricht in ihrem Portemonnaie – als hoffnungsvollen Talisman. Sie richtet ihre Aufmerksamkeit auf die Flugzeugreservierung. Wenn sie morgen ganz früh aufbrechen, kann sie Max nach Hause bringen und hat noch genug Zeit, um die Koffer auszupacken. Sogar der Gedanke daran, seine Wäsche waschen zu müssen, zaubert ein Lächeln auf ihre Lippen. Vielleicht kann Georgia, die zu Jonathan zurückgekehrt ist, heute Abend kurz in Danielles Apartment vorbeischauen, die Fenster öffnen und ein paar Lebensmittel einkaufen, damit die Wohnung nicht so verlassen wirkt. Dann fällt Max vielleicht auch nicht auf, wie lange sie fort gewesen sind.
Celia kommt kurz hinein und reicht ihr einen Becher mit lauwarmem Kaffee. Reyes-Moreno ist bereits ein paar Minuten zu spät dran. Vermutlich spricht sie immer noch mit Max’ Team, denkt Danielle. Sie arbeiten hier in Gruppen. Kein Seelenklempner, Neurologe oder Psychiater ist allein für einen Patienten zuständig. Sie nimmt einen Schluck von dem bitteren Gebräu. Sobald sie nach Hause kommt, muss sie versuchen, die Dinge im Büro zu richten – und wie. Bei dem Gedanken verspürt sie eine aufkommende Panik, doch sie drängt sie resolut zur Seite. Eins nach dem anderen.
Also, was Reyes-Moreno ihr wohl mitteilen wird? Vermutlich wird sie all die alten Diagnosen bestätigen, wird ihr sagen, dass die anderen Ärzte sich getäuscht und Max’ Medikamente falsch eingestellt haben. Sie lächelt innerlich. Max scheint es so viel besser zu gehen. Er sieht wieder mehr nach – nun, nach Max aus.
Die Tür öffnet sich. Schon wieder Celia. Sie weicht Danielles Blick aus. Die fühlt sich sogleich an Geschworene erinnert, die ihr nicht in die Augen schauen können, wenn sie nach ihren Beratungen in den Gerichtssaal zurückkehren. Als Nächste betritt Reyes-Moreno den Raum und schließt die Tür. Sie schenkt Danielle ein breites Lächeln und drückt ihre Schulter. Die Anspannung, die sich irgendwo in Danielles
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