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Mutterliebst (German Edition)

Mutterliebst (German Edition)

Titel: Mutterliebst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antoinette van Heugten
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Nackennähe angesammelt hat, verschwindet urplötzlich.
    „Guten Morgen, Danielle.“ Die Stimme der Ärztin klingt sanft und kontrolliert. „Wie geht es Ihnen heute?“
    Sind das die angemessenen Nettigkeiten, die man mit der Person austauscht, die das Leben deines Kindes in Händen hält? „Mir geht es gut, Doktor. Und Ihnen?“
    „Am besten nehmen wir Platz, ja?“ Sie setzt sich auf den schwarzen Schreibtischstuhl und dreht ihn so, dass sie Danielle anschaut. Celia hält sich schräg hinter ihr. Danielle fragt sich, was die Sekretärin hier tut, aber sie wagt es nicht, zu fragen. Stattdessen schlägt sie die Beine übereinander und legt die Hände in den Schoß. Sie ist bereit.
    Reyes-Moreno sitzt sehr aufrecht auf ihrem Stuhl, ihr Blick ist eindringlich und fokussiert. „Danielle, ich weiß, dass Sie sehr geduldig auf dieses Treffen gewartet haben, und es freut mich, Ihnen mitteilen zu können, dass Max’ Team zu einer einstimmigen Diagnose und Therapieempfehlung gekommen ist.“
    Danielle stellt fest, dass sie den Atem angehalten hat. Mühsam zwingt sie Sauerstoff in ihre Lungen. Reyes-Moreno beginnt ihre Ausführungen in einer Art Singsang. „Es wird Sie vermutlich nicht überraschen zu hören, dass wir einige der Diagnosen bestätigen, die im Laufe der Jahre über Max erstellt wurden.“
    Danielle lehnt sich etwas entspannter zurück. Anscheinend gibt es auch hier nichts Neues.
    Dr. Reyes-Moreno fährt in ungebrochenem Rhythmus fort. „Wir bestätigen, dass Max autistisch ist – Asperger-Syndrom –, außerdem leidet er an verschiedenen Lernstörungen. Er hat sowohl eine rezeptive wie eine expressive Kommunikationsstörung, eine zentralauditive Verarbeitungsstörung …“ Langatmig zählt sie alles auf, was längst bekannt ist.
    Nichts an den Ausführungen weckt Danielles Interesse. Sie hat einen Notizblock vor sich, auf dem sie pflichtbewusst mitschreibt, während Reyes-Moreno redet. Es ist, als höre sie einer eidesstattlichen Aussage zu, die ihr nur langweilige Hintergrundinformationen zu einem unbedeutenden Zeugen liefert. Doch während die Liste der Störungen immer größer wird, legt sich eine Traurigkeit über Danielle – vermutlich will sie eigentlich nur hören, dass all die anderen wohlmeinenden, aber fehlgeleiteten Ärzte sich nicht nur in Max’ Medikation getäuscht haben, sondern auch in der Autismus-Diagnose und den zugrunde liegenden neurologischen Differenzen. Es wäre so wundervoll, wenn Max sich nicht all diesen Problemen stellen müsste. Nun ja, denkt sie, während Reyes-Moreno die Liste weiter abhakt – Zwangsstörung, taktile Überempfindlichkeit –, ich kann mit all dem umgehen.
    „Wir empfehlen eine neue Mischung von Antidepressiva, um Max’ Selbstmordabsichten zu bewältigen“, erklärt Reyes-Moreno.
    Danielle geht eine mentale Liste trizyklischer Antidepressiva sowie selektiver Serotonin-Wiederaufnahmehemmer und deren Nebenwirkungen durch. „Woran haben Sie gedacht? Effexor? Zoloft?“
    Reyes-Moreno blickt Danielle an, erwidert aber nichts. Danielle wendet sich abrupt an Celia, die gerade etwas sagen will, dann jedoch ein unbestimmtes Zeichen der Ärztin wahrnimmt und zur Seite schaut. Danielles Herz schlägt viel zu schnell – es ist wie ein wildes, gefangenes Tier, das sich aus seinem Käfig befreien will.
    Reyes-Moreno rollt mit ihrem Schreibtischstuhl näher heran. Sie ergreift Danielles Hand und drückt sie. Ihre Stimme ist so weich wie eine Babydecke. „Da ist noch mehr, was ich Ihnen sagen muss.“
    Danielle zuckt zurück. Reyes-Morenos smaragdgrüne Augen lassen sie nicht los. Wenn sie mich anlächelt, bedeutet das, dass mit Max alles in Ordnung ist. Danielle lächelt als Erste – eine schwache, verzweifelte Einladung.
    Reyes-Moreno verzieht keine Miene. „Ich werde es einfach aussprechen und versichere Ihnen, dass wir alle hier für Sie da sind.“
    Danielle fühlt sich jetzt vollkommen körperlos. Sie besteht nur noch aus Augen, die Reyes-Moreno sehen und sonst nichts auf dieser Welt.
    „Unglücklicherweise haben unsere Tests zu einer Diagnose geführt, die Max eine schwere psychiatrische Erkrankung attestiert. Er leidet unter einer gravierenden Form der Psychose, die wir schizoaffektive Störung nennen.“ Sie hält inne. „Weniger als ein Prozent aller psychiatrischen Patienten fällt in diese Kategorie.“
    Danielle ist vollkommen perplex. „Max ist schizophren?“
    „Zum Teil. Die reine Schizophrenie hat jedoch nicht diese Gemütsschwankungen,

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