Mutterliebst (German Edition)
auf und erhebt sich. Damit deutet sie an, dass das Meeting vorbei ist. Auch wenn sie nicht zu einer einvernehmlichen Einigung gekommen sind, trennen sie sich doch freundschaftlich.
„Danielle.“ Reyes-Morenos Stimme klingt brüsk. „Wir wissen, dass Sie unsere Diagnose nicht akzeptieren. Was Sie nicht zu verstehen scheinen, ist, wie schwerwiegend Max’ Zustand ist.“ Ihr Blick lässt Danielle nicht eine Sekunde los. „Ich kann Ihnen nicht gestatten, Max mitzunehmen, solange wir davon ausgehen müssen, dass er Selbstmord begeht, sobald er die Klinik verlassen hat. Ganz zu schweigen von seiner wachsenden Psychose und den besorgniserregenden Gewalttätigkeiten, die er anderen gegenüber zeigt. Ich werde dieses Krankenhaus nicht dem Risiko einer gerichtlichen Strafverfolgung aussetzen – die völlig gerechtfertigt wäre –, nur weil Sie darauf bestehen, Ihren Sohn mitzunehmen.“ Sie hält inne. „Genauso wenig wie ich Max’ geistige Gesundheit und sein Leben oder das eines anderen aufs Spiel setze, indem ich ihn in Ihre Obhut übergebe.“
Danielles hebt die Augenbrauen. „Was wollen Sie damit sagen – dass ich hier diejenige bin, die die Schuld trägt? Dass Max bei mir nicht sicher ist?“ Ihre Stimme ist eine einzige Provokation, eine Einladung zum Streit, stählern und kühl. „Oder vielleicht liegt es auch nur daran, dass bislang niemand den Mumm hatte, eine Diagnose zu hinterfragen, die von den ach so hervorragenden MaitlandÄrzten gestellt wurde …“, sie schaut demonstrativ jeden Einzelnen am Tisch direkt an, „… selbst wenn keinerlei Grundlage für eine solche Diagnose existiert.“
Es herrscht Schweigen. Die Blicke der hier versammelten geistigen Elite kleben an ihren Aktenmappen. Feiglinge, denkt Danielle. Einer der Assistenzärzte scheint etwas sagen zu wollen, doch Reyes-Moreno schüttelt kaum merklich den Kopf. Er verstummt sofort, ganz perfekt trainierter Welpe.
„Miss Parkman.“ Reyes-Morenos grüne Augen wirken unerbittlich. Ihre Stimme klingt wie ein sanfter Hammer. „Wir gestehen Ihnen gerne zu, eine zweite Meinung einzuholen, allerdings sollte das so schnell wie möglich geschehen. Ihre Weigerung, das zu akzeptieren, was wir Ihnen mitzuteilen versuchen, fügt Ihrem Sohn vielleicht größeren Schaden zu als seine zugrunde liegende geistige Erkrankung, die sicherlich schon schwer genug ist.“
Danielles Zorn wird immer größer. „Wollen Sie damit sagen, dass ich mein eigenes Kind nicht kenne? Dass ich so himmelschreiend selbstsüchtig bin, dass ich sogar die Wahrheit leugne und meinem Sohn damit zusätzlichen Schaden zufüge?“
Reyes-Moreno schaut sie an, als wäre sie ein tödlicher Virus, den die Ärztin gerade unter ihrem Mikroskop entdeckt hat. „Um ehrlich zu sein, finden wir es schon extrem beunruhigend, dass Sie die Warnzeichen nicht erkannt haben. Es handelt sich um eine fortschreitende Erkrankung, wie Ihnen sicherlich klar sein muss.“
„Welche Warnzeichen?“ Danielle kann nur an die Lügen in den Einträgen denken – dass sie eine schlechte Mutter ist, dass sie Max’ psychotisches Verhalten munter ignoriert hat. Plötzlich sieht sie nur noch rot, dennoch gelingt es ihr, ihre Stimme im Zaum zu halten. „Max wurde von anerkannten Psychiatern untersucht, lange bevor er hierherkam. Nicht einer von ihnen hat je angedeutet, dass er in irgendeiner Weise gewalttätig ist – geschweige denn schizoaffektiv. Und nicht einer – abgesehen von Ihnen und Ihrem Team – ist je auf die Idee gekommen, meinen Sohn festzuschnallen, ein Stück Plastik in seinen Mund zu schieben und 450 Volt Strom durch sein Gehirn zu jagen.“ Sie deutet mit dem Zeigefinger auf Reyes-Moreno. „Vergessen Sie das Gerichtsverfahren, Doktor. Sie gehen ins Gefängnis.“ Danielle marschiert auf die Tür zu.
„Max ist nicht nur selbstmordgefährdet. Er ist gefährlich.“ Reyes-Morenos Worte peitschen wie Pistolenkugeln durch den Raum.
Danielle dreht sich langsam zu ihr um und schaut sie an. Der Rest des Teams scheint zu erstarren. „Was?“
„Max hat den Bezug zur Realität komplett verloren. Er ist davon überzeugt, dass der Morrison-Junge ihn gequält hat. Um genau zu sein, er glaubt, eine Stimme in seinem Kopf zu hören, die ihn über Jonas’ heimliche Pläne unterrichtet, ihm zu schaden und ihn schlussendlich sogar umzubringen.“
„Das ist doch absurd!“ Danielle durchquert den Raum und baut sich direkt vor Reyes-Moreno auf. „Erwarten Sie hier wirklich, dass ich Ihnen das
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