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Mutterschuldgefuehl

Titel: Mutterschuldgefuehl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Hartmann
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Kinder auch um Chancengleichheit unabhängig von Geschlecht, sozialer und ethnischer Herkunft und um den Ausgleich von individuellen und sozialen Benachteiligungen. Aber der künftige Bürger, den wir hier heranziehen, ist für den Staat existenziell wichtig. Kinder sind unsere Zukunft, Kinder sind unser Kapital. Die Gesellschaft braucht frische Talente. Und da die Geburtenrate sinkt, liegt die Verantwortung umso schwerer auf den Schultern der wenigen künftigen Staatsbürger. Die alte Maxime engagierter Pädagogen »Kein Kind darf verloren gehen« bekommt da eine ganz neue Bedeutung, eben nicht mehr nur nächstenliebend, sondern auch profitorientiert, und daraus wird auch gar kein Hehl gemacht. Gesund, intelligent, innovativ und geschickt sollen die lieben Kleinen nämlich nicht nur später den Steuerzahlern keinesfalls auf der Tasche liegen, sondern sie sollen einmal die Rente und die Zukunft unseres Landes retten, die wir gerade in den Sand setzen.
    Das ist nicht wenig, und ja, ich gebe es offen zu, wenn sie das schaffen sollen, was man von ihnen erwartet, brauchen wir ständig guten Rat. Wir brauchen exzellente Schulen für alle Kinder, um diese Mammutaufgabe zu stemmen. Aber unsere Nation investiert ungern in Bildung. Deutschland gibt im Vergleich mit anderen Industrieländern recht wenig Geld für Bildung aus. Nur die Türkei, die Slowakei, Spanien und Irland sind noch sparsamer als wir. Unser Staat flickschustert
lieber und hofft auf das Beste. Wir nehmen lernwillige Mütter, die nicht streiken, wenn sie zwar von Anfang an von allen Tipps, Belehrungen und Ratschläge erhalten, aber kaum praktische Unterstützung bekommen. Meistens nicht mal von ihren Männern und auch nicht vom Staat. Keine Haushaltshilfe, wenig Kinderbetreuung, kaum Geld, nicht mal Aussicht auf Erfolg, von Ruhm und Ehre gar nicht zu sprechen. Dafür bekommen sie Sprüche zu hören wie »Ein Kind gehört zu seiner Mutter« und viele gute Wünsche an die Mutter, wie sie denn zu sein hat, damit das Kind wird, wie es denn zu sein hat. Und Schuldzuweisungen, wenn das alles nicht klappt.
    Da ich nicht auswandern möchte und die Zeit knapp ist - bevor ich als verantwortliche Bürgerin irgendeine politische Veränderung anstoßen könnte, wäre meine Tochter aus ihrer Hoch-Hirn-Phase entwachsen -, muss ich mich mit den Vorgaben meines Landes arrangieren. Ich muss für mein Kind nehmen, was ich kriegen kann, und das sind die Kurse. Außerdem möchte ich meine Mutterschuld ein bisschen abarbeiten und ich brauche Freundschaften. Die Kurse kommen mir gar nicht ungelegen. Ich entscheide mich unter den Angeboten, die uns Müttern so warm ans Herz gelegt werden, für einen Klassiker, den PEKiP-Kurs, weil er Raum für Plauschereien gibt. Die sind beim Babyschwimmen schlecht möglich. Man ist zu sehr bemüht, das Kind über Wasser zu halten, während es seine Intelligenz entwickelt und die motorischen und sensorischen Fähigkeiten schult.

Glück in der Gruppe
    PEKiP steht für »Prager-Eltern-Kind-Programm«. Ab der vierten bis sechsten Lebenswoche treffen sich junge Eltern mit ihren Babys in kleinen Gruppen und bleiben für das erste Lebensjahr zusammen. In Gruppenarbeit sollen die Säuglinge in ihrer Entwicklung wahrgenommen, begleitet und gefördert werden. Das Programm vermittelt Bewegungs-und Sinnesanregungen und soll Kontakte zu Gleichaltrigen
ermöglichen. Letzteres ist meiner Tochter meiner Meinung nach in den ersten Monaten herzlich egal, sie ist noch sehr mit sich selbst beschäftigt, das junge Ding, aber ich freue mich sehr, neue Gesichter kennenzulernen und Frauen zu treffen, die in den kommenden Monaten ganz offensichtlich genau die gleichen Interessen und den gleichen Tagesrhythmus haben wie ich.
    In diesen PEKiP-Gruppen ist es vollkommen egal, wer die Mütter sind, woher sie kommen und was sie früher getan haben. Egal, ob vorher Arzthelferin, Hausfrau, Wissenschaftlerin, Staatsanwältin, Lehrerin, oder Postangestellte - in diesen Gruppen sind wir alle nur Mutter .
    Â»Hallo«, sagt die Frau neben mir.«Ich bin Kathrin und das ist Charlotte. Sie ist am 3. März geboren und sie ist unser erstes Kind. Das ist unser erster PEKiP-Kurs.«
    Alle stellen sich ganz unkompliziert vor. Wir machen die Runde. Alle tragen mehr oder minder Einheitslook (meist Shirts und leicht zu reinigende Hosen) und Haare werden schmucklos mit Gummis

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