Mutterschuldgefuehl
guten Ruf und meine Tochter ist überaus zufrieden.
Sind die Projektangebote der Kita angemessen? Nein, das Angebot ist natürlich immer nur ausreichend und immer verbesserungswürdig. Es gibt immer eine Mutter, die mit sorgenumwölkter Stirn von den Erfolgen einer anderen Kita berichtet. Turnen, Englisch, Kochen, Musik, Basteln, Gärtnern und wissenschaftliche Versuche und so weiter und so fort. Wir wollen alles und von allem mehr.
Wie wird das Frühstück oder das Mittagessen eingenommen? Es geht natürlich auch um die Qualität des Essens, aber hier verstummen die Diskussionen schnell, wenn es zu teuer wird. Aber die Darreichungsform ist gratis und muss gründlich erwogen werden. Präferieren wir ein Buffet für die Kinder, an dem sie sich selbst bedienen (fördert die Selbstständigkeit), oder sollte jedes am Tisch sitzen und einen gefüllten Teller empfangen (fördert die Ruhe)? Ich hätte nie geglaubt, dass man über Tischregeln diskutieren kann, als ginge es um den Untergang des Abendlandes.
Wie steht es mit Ausflügen (Feuerwehr, Polizei, Bauernhof, Wald, Bäcker, Wochenmarkt, Spielplätze)? Was ist mit Kita-Festen, Väter-Zelten, Sankt-Martins-Zügen? Wie ist der Informationsfluss über die wöchentlichen Programme und Aktivitäten? Akzeptieren wir die Abholzeiten? Wie stehen wir zu dreckigen Kleidern und Matschen im Garten? Welche Qualität haben die Spielzeuge und Klettergeräte?
Und vor allem: Sind unsere Kinder glücklich? Wie sind die Kinder zueinander? Welche gilt es zu meiden, welche kann man suchen? Wie sind ihre Mütter? Welche Fähigkeiten und Makel haben die Erzieherinnen? Sind sie ausreichend freundlich und aufmerksam? GrüÃen sie unsere Kinder auch lieb am Morgen? Nehmen sie das einzelne Kind in seiner individuellen Persönlichkeit auch hinreichend wahr? SchlieÃlich: Welche Bastelarbeiten kann mein Kind vorweisen? Welche
Bilder hat es gemalt? Werden unsere Kinder genügend gefördert für die kommende Schule? Wo sind die Schwungübungen für Schreiblernende, die Alphabetliedchen und Vorschulblätter?
Man muss uns Mütter und Väter verstehen. Jahrelang hat man uns eingetrichtert, dass nur die perfekte Mutter in einem perfekten Heim ein perfektes Kind hervorzubringen vermag. Schon in der Schwangerschaft war unser Kind von Risiko, Krankheit und vielen Gefahren umzingelt - und wir hatten es nicht einmal in natura gesehen. Wir lernten, dass es nur unter stetiger Kontrolle von Experten wachsen und gedeihen kann, dass nur die höchste Aufmerksamkeit, das beste Essen, Pflege, Ausstattung, Luft und Ambiente unserem Kind zuträglich sind. Nur wenn wir unsere Wohnung kindersicher gestalteten, Schränke verbarrikadierten, Treppen absperrten und Steckdosen verschraubten, nur wenn wir Fenster und Türen abschlossen, Nahrung und Umwelt auf Schadstoffe und Gifte prüften, nur wenn wir stets in der Nähe waren - nur dann war unser Kind relativ sicher. Wir wurden ermahnt, es nie unbeobachtet zu lassen, stets verständnisvoll, sanft und geduldig zu sein, unser Kind laufend zu loben und nur hinter Badezimmertüren stumm in ein Kissen zu schreien. Wir lernten, dass unsere Kinder schwache, sensible Geschöpfe sind, die nur mit äuÃerster Sorgfalt dem frühkindlichen Trauma entrinnen. Und alsbald sahen wir unsere Kinder miteinander im Wettbewerb stehen und wir Mütter mussten immer einen Schritt neben ihnen harren, um jederzeit schnell und gründlich Attacken fieser Kinder und Mütter zu verhindern.
Und jetzt sollen wir unsere Kinder in der Masse untergehen lassen? 25 Kinder, eine Erzieherin, eine Ergänzungskraft - und das soll reichen?
Wohl doch eher nicht! Nein, meine Damen und Herren, zwar waren auch unsere eigenen Mütter bestimmt das eine oder andere Mal unruhig, ihre Kinder in die Hände fremder Erzieherinnen zu geben. Das sind eben die Rudimente des Gluckeninstinkts. Aber wir modernen Mütter von heute, wir haben nicht nur Angst, unseren Kindern könnte es nicht gefallen
und sie könnten nach Mama schreien. Nein, wir haben Angst, unsere Kinder könnten Schaden nehmen. Körperlich, seelisch, geistig, synapsenmäÃig, unwiderruflich und traumatisch. Und je nachdem, wie ängstlich oder skeptisch wir von Natur aus sowieso schon sind, reagieren wir jetzt moderat, heftig oder ausgesprochen hysterisch. Die eine oder andere unter uns entwickelt ausgeprägtes
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