Muttersoehnchen
die förderliche Lernatmosphäre auf den ersten Blick, so dass ich selbst da blieb und mit der netten Frau Mohrle einen Kaffee trank. Dabei konnte ich sie auch gleich fragen, wie sich meine beiden denn so machten und ob es etwas Neues gäbe aus der spielerischen Lernentwicklungswelt. Doch wollte Frau Mohrle den Nachmittag lieber nutzen, um Einsatzpläne zu schreiben und endlich mal das große Regal aufzuräumen, anstatt sich zu einer spontanen Frühförderung aufzuraffen. So trank sie nur eine Tasse
Kaffee mit mir und sagte, dass sie das ja eigentlich gar nicht dürfe.
Die Hausarbeit erledigte ich ohne Kinder am Bein nun viel schneller, und so fand ich wieder etwas mehr Zeit für mich. Ich telefonierte mit Auftraggebern, die mir Einsatztage in der Maske geben sollten, oder mit meinen Freundinnen, die mit Tipps fürs Eheleben aushalfen. Und damit ich mich zwischen dem modernen Anspruch an die Familie und meinen altmodischen Träumen an die Liebe besser zurechtfand, pflegte ich ungewöhnliche Freundschaften.
Ich hielt Kontakt zu einem schwulen Friseur, der mal mein Arbeitskollege war und jetzt auf Teilzeit arbeitete, und ich knüpfte einen neuen zu einer kinderlosen Lehrerin, die ich auf dem Apfelfest in unserem Dorf kennengelernt hatte und die auf unbestimmte Zeit krankgeschrieben war.
Der Umgang mit Menschen, die in einem Leben steckten, das mit meinem nicht vergleichbar war, entspannte mich. Sie waren die Pausetaste für meinen Alltag, auch weil ich mich nicht sehr anstrengen musste, dass sie mich mochten. Sie gaben mir das Gefühl, dass alles gut mit mir sei, wie es war: Sie konkurrierten einfach nicht mit mir. Und sie waren mein Alibi für die Stunden, in denen ich die Freundschaften pflegte, von denen ich zu Hause nicht berichten konnte. Schon weil der Volksmund sagt, Freundschaften zwischen Männern und Frauen gebe es gar nicht. Ich war anderer Meinung, aber es reichte nicht, es einfach zu erklären. So behielt ich es für mich, wenn ich Martin im Büro besuchte, nach allgemeinem Büroschluss mit Guido ein Bier trinken oder mit Volker ins Kino ging. Ohne, dass ich je mit einem von ihnen darüber sprach, wusste ich, dass deren Frauen daheim auch nicht wussten, mit wem ihre Männer ausgegangen waren. Wir pflegten ein Geheimnis, das es gar nicht hätte geben müssen, weil nie etwas passierte. Aber wir nahmen unaufgefordert Rücksicht auf unser Abendland, von dem wir stillschweigend vermuteten, dass es nur in der Theorie locker sei. Erst als ich Matthias K. wiedersah, wusste ich nicht, ob es bei einer Freundschaft bleiben konnte.
Zwischen ihm und mir hatte es vor vielen Jahren heftig gefunkt und dann ordentlich geruckelt. Erst war es aufregend, und später ging es aufgeregt hin und her. Matthias ist ein Tausendsassa, ein
Hans-im-Glück, ein Macker mit Niveau, in den ich mich in der Minute verliebte, in der ich ihn traf. Und an dem ich verzweifelte, als ich ihm nahe kam. Ein Mann, der jede Frau haben kann und den jede haben will. Der aber keine behält, weil ihn keine aushält. Er verspricht Führung und Furchtlosigkeit, also das beste Sperma weit und breit. Doch sein Machogehabe und meine Vorstellung von einer gleichberechtigten Partnerschaft hatten kaum Schnittmengen zu jener Zeit, da noch keiner von uns Kinder hatte. Als die Verletzungen, die wir einander für ein glückliches Uns zufügten, schmerzhafter waren als alle Abschiedstränen der Welt je sein können, ließen wir schließlich voneinander ab.
Wir beschlossen, keine Freunde zu bleiben und gingen unserer Wege. Auf einer Medienveranstaltung, einem dieser Schnittchentermine, bei dem einer den anderen lobhudelt und im nächsten Jahr umgekehrt, stehen wir uns plötzlich wieder gegenüber. Zwischen Fingerfood und Kölsch berichten wir uns in Stichworten, wie es uns ergangen ist, seit wir nicht mehr miteinander gingen. Er rechnet nach, wie lange es wohl her ist. Ich brauche nicht zu rechnen: 22 Jahre. Die erste Erzählversion klingt nach Zufriedenheit. Matthias ist Vater eines Sohnes, der Paul heißt und bei der Mutter aufwächst. Er selbst ist als Journalist bestens im Geschäft und stolz darauf, auch unter widrigen Umständen anständig geblieben zu sein. In der Kneipe, in die Matthias mich nach Ende der Veranstaltung noch einlädt, weil es da außer Kölsch auch richtiges Bier gibt, hört es sich allerdings schon etwas anders an. Man könnte sagen: Wir haben uns beide entwickelt, ich bin angepasster geworden und er noch kompromissloser.
Matthias ist
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