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Muttersoehnchen

Muttersoehnchen

Titel: Muttersoehnchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Fink
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Liebe, bis dass der Tod uns scheidet. Und als sei das nicht schon ambitioniert genug, kann man sich auch noch ganz unauffällig parallel umtun.
    Den Kontaktbörsen haftet nicht mehr der Makel an, dass die Figuren dort sonst keinen abkriegen würden. Die eFlirter betrachten die Suche nach dem geeigneten Partner eher sportlich und sehen einen fließenden Übergang zu anderen Social Networks. Das Verfahren vereinfacht die Anbahnung und macht sie reproduzierbar. Dadurch wiederum wird der Flirt anstrengend, und zum Schluss zählen wie bei jedem Ballspiel nur die Tore. Vergebliches Jagen und Locken endet auch digital im realen Frust.

    Wird das für Maik und Lysa der Normalfall sein? Oder nur eine weitere Möglichkeit? Ich will ganz bestimmt nicht, dass so eine wilde Braut wie Lorelei_78 meinen Kleinen einfängt. Und ich will nicht, dass meine Tochter sich so gebärdet. Dabei erkenne ich schlagartig das Dilemma, und mich erkenne ich in der fremden Frau wieder. Sie lebt die real existierende Gleichberechtigung, das pragmatische Resultat meiner romantischen Vorstellungen einer Partnerschaft auf Augenhöhe.
    Es stößt mich als Mutter ab, aber auch als Frau. Sollen das die Ergebnisse von vier Jahrzehnten Feminismus sein? Die Frau schreit: Nimm mich! – nur um anschließend in atavistische Muster zurückzufallen. Und er jagt durchs Netz, parallel und ruhelos. Dabei durchschaut keiner mehr, ob sie bei ihm oder er bei ihr die Fäden zieht. Die Polarität der Geschlechter ist perdu; wir ziehen uns nicht mehr gegenseitig an, sondern nur noch gemeinsam runter. Wir Frauen haben den Männern nicht nur ihre Männlichkeit abtrainiert, sondern dabei
auch unsere Weiblichkeit aufs Spiel gesetzt. Feministinnen waren noch nie liebreizend, aber die anderen sind es auch nicht mehr.

    Die eigentliche Revolution ist das Internet. Maik und Lysa konnten wir nur bis zum siebten Lebensjahr mit Fernsehverbot beeindrucken, und Wetten, dass...? vereinte die Familie alle paar Samstage nur solange vor dem Fernseher bis sie in die Pubertät kamen. An die Tagesschau konnten wir sie nicht mehr heranführen. Den Gong vermissten sie nicht, weil er abgeschafft wurde, bevor sie sich daran gewöhnen konnten. Meine Kinder werden von den Soziologen in knackigem Englisch Digital Natives genannt, weil sie mit den Digitaltechnologien von Computer, Internet und Handy aufgewachsen sind. Im Gegensatz zu uns, den Einwanderern: Wir sind so alt, dass wir uns noch gut erinnern, wie die Welt ohne aussah, und zu jung, um uns den vielen Errungenschaften entziehen zu können.
    In unseren Ohren hatte der öffentlich-rechtliche Name von ARD & ZDF noch den guten Klang von pädagogisch wertvoll, als die Privatsender an den Start gingen. Fernsehen war bereits gesund, wenn es ohne Werbeunterbrechung auskam. So sehr, dass wir nicht so genau hinschauten und die dämlichen unter den guten KiKa-Sendungen geflissentlich übersahen. Dem Teletubbie-Alter waren Maik und Lysa zum Glück schon entwachsen, darüber sollten sich andere Eltern aufregen. Dafür hatte SuperRTL meine beiden schon längst mit amerikanischen und japanischen Trickserien gefesselt. Und danach wurden sie User.
    Die großen Veränderungen im aufgeklärten Online-Miteinander vollzogen sich leise. Es war kein Zufall, dass der lineare Medienkonsum, wie die Experten das Fernsehen bis zum Umfallen nennen, im gleichen Maße an Bedeutung verlor, wie Breitbandkabel verlegt, Speicher und Flatrates bezahlbar wurden. Maik und Lysa schauten immer weniger hintereinander weg, sie mochten es lieber zeitsouverän, konsumierten Information nach eigener Auswahl nur noch on demand. Wann immer sie Bock hatten, wonach ihnen gerade war und, bitteschön, am eigenen Monitor. Das Fernsehen hatte aus der Familie einen Halbkreis gemacht, der Computer löste die Sitzordnung auf und verteilte die Individuen auf ihre Zimmer. So wurde die Schnittmenge an Allgemeinwissen immer kleiner.

    Es war aber ein schöner Zufall, dass die Hochphase der Emanzipation in die Zeit fiel, als unsere Haushalte flächendeckend mit Internetanschlüssen versorgt wurden. In Mails und Chats reüssierten wir Frauen zu Wortführerinnen; endlich hatten wir ein Gegengewicht zu den Ballerspielen für Männer und Jungs. Das brachte uns noch ein gutes Stück voran in die Richtung, in die lange zuvor die Weichen gestellt worden waren nach dem Motto: Frauenförderung schön und gut, aber es muss noch viel mehr getan werden. Weil wir doch immer noch voll krass benachteiligt

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