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Muttersoehnchen

Muttersoehnchen

Titel: Muttersoehnchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Fink
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Journalistin, die auch ohne Quote eine internationale Karriere hingelegt hat, lange bevor wir uns an der Vereinbarkeit von Familie und Beruf abgearbeitet haben.

    Natürlich sind die selbst gemachten Millionäre nicht so locker, wie sie auf ihren Pressefotos aussehen: Geschäfte in Jeans und T-Shirt sind nicht minder hart, als die in Anzug und Krawatte. Ich erkläre Maik immer wieder, dass informelle Attitüden nichts bedeuten, und schnitt ihm Zeitungsartikel von Gerichtsverfahren der ehemals besten Freunde aus. Und solche, bei denen unsere eigene Privatsphäre immer mehr zur Disposition gestellt wird.
    Meine Kinder waren die Pioniere, die schon in jungen Jahren mit der Dauer-Onlinekommunikation umzugehen lernen mussten. Der Gruppenzwang hatte sich rasch verlagert: Soziale Netzwerke begleiteten ihre Hausaufgaben und Partys. Am Nachmittag übten sich Maik und Lysa darin, ihre Freundschaften zu bewerten. Auf SchülerVZ und Facebook brandmarkten sie sich selbst: Wer bin ich? Wo muss ich hin? Und was ziehe ich an? Attraktivität ist nicht mehr eine Frage der Perspektive, sondern zur harten Währung mutiert.
    Meine Facebooker wollten im Netz gefunden werden, aber nicht als Suchende dastehen. Es war ein gehöriger Reifeprozess, von dem ich nichts mitbekam, bis sie gelernt hatten ein Facebook-Profil zu deuten und ihres zu bedienen, solange bis ihnen ihr Wunschbild ICH 2.0 attraktiv genug erschien. Im Umgang mit dem interaktiven Internet vermochte ich von Anfang an keinen Unterschied zwischen dem Userverhalten meines Sohn und meiner Tochter zu erkennen, wohl aber in den Konsequenzen, die sie daraus zogen. Beide hatten
Freude daran, sich mitzuteilen und darzustellen. Beide schrieben frisch, frech und fehlerhaft; die korrekte Rechtschreibung hatte sich genauso verflüchtigt wie eine korrekte Ansprache. Und beide fanden alles Belanglose dieser Welt berichtenswert. Aber Maik lernte in einem schmerzhaften Prozess, sich zu emanzipieren, während Lysa von einer ungetrübt positiven Resonanz ihrer Freunde immer abhängiger wurde.

    Als ich nach Hause komme, ist mein Fräulein noch wach. Sie sammelt die Freunde auf Facebook zusammen und kalkuliert die Kosten in Excel: Der 18. Geburtstag wird ihr Gesellenstück in Sachen Selbstdarstellung.
    Wir wollen das Dorfgemeinschaftshaus mieten und wir bekommen es nur, wenn wir unterschreiben, dass wir eine Familienfeier ausrichten. Das heißt im Klartext: Auch Erwachsene sollen anwesend sein, möglichst den ganzen Abend lang. »Wissen Sie, so was läuft sonst schnell aus dem Ruder«, erklärt mir der Jugendringleiter den Hintergrund. Aha. Ich notiere: Baseball-Schläger besorgen.
    Vier Wochen vor dem Großereignis lädt Lysa ihre Freunde ein. Nein, falsch: Sie postet das Event auf die gut 100 Pinnwände ihres Online-Stammes. Ein Viertel sagt innerhalb der nächsten Tage ab, weil an gerade diesem Tag schon was anderes anliegt. Ein weiteres Viertel sagt spontan zu, darunter sogar einige, die hinzufügen, dass sie sich über die Einladung freuen. Der große Rest schweigt oder antwortet: Mal sehen.
    Lysa hat keine Ahnung, ob sie 60 oder 120 Liter Bier bestellen soll, ob fünf Kisten Cola reichen oder zehn noch nicht genügen. Und wie viele Baguettes, Käse und Salate? Langt die hauseigene Stereoanlage, oder brauchen wir große Verstärker? Und zusätzliche Biertische? Ihre Partypläne werden zum Totalstress für die Gastgeberin. Sie will es perfekt und richtet sich auf verschiedene Szenarien ein. Eine Woche vor der Party haben vom großen Rest nur einige wenige verbindlich zugesagt. Meine Tochter weiß also jetzt, dass sie zwischen 30 und 70 Gäste erwarten darf.
    Zwei Tage vor dem großen Tag meldet sich eine andere Fraktion, die Ungeladenen. Sie sagen: »Long time no see« oder fragen: »Wie
geht’s denn so?« Von Freunden der Freunde haben sie von der Party gehört und spekulieren nun auf eine spontane Einladung. »Das wär’s noch«, stöhnt Lysa, »die ganze Nummer nur, damit ich an meinem Geburtstag mit Leuten sitze, denen ich schon in der Schule aus dem Weg gehe.« Sie lässt sich nicht erweichen. Und ich bin stolz auf meine Kleine.

    Maik und Lysa verschwendeten keine Zeit aufs Sozialisieren. Warum sich mit Leuten umgeben, die keine Musik machen oder nicht tanzen können? Warum sich aufhalten mit artfremden Interessen oder jemanden, der die Disco Funny Emotion nicht kennt? In der Community war immer jemand in Rufweite, der so tickte wie sie. Meine Onliner verhielten sich effizient und

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