Muttersoehnchen
sind.
Das sieht Lorelei_78 auch so, denn sie erwartet jetzt ähnlich freizügige Bilder von Matthias: »Zeig Dich, Kerl, zeig deine geilen Muskeln!« Matthias grinst, ganz der erfahrene Netzritter: »Das ist typisch.« An dieser Kandidatin müsse er jetzt mindestens eine Woche rumbaggern, ehe es konkret werden könne und damit real. Aber, so wie die sich da räkelt, sei das doch eine Einladung pur, wende ich ein. »Klar, das könnte Mann so interpretieren – und hätte nichts begriffen.« Matthias erklärt es mir: »Diese Karriereweiber tun nur so emanzipiert. In Wahrheit haben sie sich vom traditionellen Balzverhalten noch keinen Millimeter entfernt.« Ja, und weiter?
Dumm nur, dass sie mittlerweile Karriere machen müssen, weil kein Mann mehr den zuverlässigen Versorger gibt. Das Familienrecht hat die Versorgungsehe in einen Beziehungsausgleich verwandelt. Und genauso dumm, dass viele Frauen die Kehrseite der sexuellen Befreiung nicht begreifen wollen. »Ich kann Sex doch an jeder Ecke haben«, sagt Matthias. »Und seit sich im Internet Abertausende anbieten, kann ich doch auch ganz wählerisch vergleichen. Warum also sollte ich meine Energie an diese sperrige Braut verschwenden?« Er zuckt die Achseln. »Die nächste wartet doch nur einen Mausklick entfernt.« Mit einer elektronischen Abfuhr schickt Matthias seine unentschlossene Lorelei zu Bett: »Dann eben nicht, Süße. Gute Nacht.«
Ich mag Lorelei_78 auch deshalb nicht, weil sie fünfzehn Jahre jünger ist als ich. Weil sie in mir den Verdacht nährt, dass kein Schwanz mehr erigiert, wenn ich mich auf einem roten Ledersofa räkeln würde. Schon deshalb brauche ich mir keines anzuschaffen.
Matthias lobt nur meine Hühnersuppe. Damit trägt er nicht dazu bei, dass ich mich attraktiver fühle. Heute habe ich einen knappen Einblick genommen in eine Welt, die es noch nicht gab, als wir einen Internetanschluss bekamen, geschweige denn als ich nach einem Mann suchte.
In den 90ern bot das Internet erstmal ein unsortiertes Allerlei und lief überdies noch auf dem Betriebssystem Windows 95, das für seine Abstürze berüchtigt war, die um so ärgerlicher waren, weil Microsoft eigens den Slogan Plug’n’Play kreiert hatte. Daraus wurde bei uns zu Hause Plug’n’Pray. Wir konnten uns nicht vorstellen, dass ein Rechner, noch dazu mit Anbindung an den Rest der Welt, eines Tages stabil laufen und komfortabel zu bedienen sein würde.
Nur wenige Jahre später aber waren wir ruckzuck drin im Netz – und sahen den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Larry Page und Sergey Brin halfen uns da raus mit ihrer Suchmaschine Google . Marc Zuckerberg hatte im realen Leben kaum Freunde und erfand wohl deshalb das soziale Netzwerk Facebook . Chad Hurley und Steve Chen erkannten das menschliche Urbedürfnis zur Selbstdarstellung und schufen YouTube . Die jungen Kreativköpfe wurden zu Millionären, indem sie uns das gaben, was wir vermissten: Orientierung, Gemeinschaftsgefühl und eigenes Sendungsbewusstsein.
Zwei andere Männer fanden den digitalen Übertrag für etwas, was es in unserem analogen Leben schon lange gab, aber an Ladenschlusszeiten gebunden war: Jeff Bezos vereinfachte den Erwerb von Büchern und gründete Amazon , Pierre Omidyar wusste um den Flohmarkt-Spaß und gründete eBay .
Mit Wikileaks wurden Julian Assange und Daniel Domscheit-Berg zu neuen Aufklärern. Maik fand die geklauten Verschlusssache-Veröffentlichungen so interessant, dass er nach einem Praktikumsplatz dort googelte. Dass Wikileaks eine Firma ohne Impressum ist, fand seine Bewunderung, machte die Sache aber schwierig. Ein Hacker in guter Mission zu sein, war für ihn durchaus vorstellbar und viel besser als das Runterladen von Filmen oder Musiktiteln, das er, seitdem er selber Musik produzierte, kritisch betrachtete.
Es fällt auf, dass ausschließlich Männer die erfolgreichsten Internet-Plattformen bauten und Aufsehen erregende Anwendungen
entdeckten. Wo sind die Frauen, wenn in die Zukunft gedacht und gehandelt wird? Mit mangelnden Ausbildungschancen kann es nichts mehr zu tun gehabt haben. Es ist kaum zehn Jahre her und die Jungunternehmer waren allesamt unter 30, als sie ihre konstruktiven Ideen aus dem Nichts umgesetzt hatten.
Offenbar laufen wir Frauen erst auf, wenn schon etwas da ist. Und das gestalten wir dann um. Genauer gesagt: Wir mischen uns gern ein. »Frauen drücken sich überall rein und anschließend das Niveau.« Dieser Satz stammt von einer heute 70-jährigen
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